Engagement auch ohne Wahlrecht , , BAMF fördert Modellprojekt "Bring dich ein - Your Voice Matters!"
"Gesellschaftlichen Zusammenhalt stärken trotz Distanz". Unter diesem Thema fördert das BAMF mit Mitteln des BMI vier überregionale Modellprojekte. Alle zeichnen sich durch einen neuen und wirkungsorientierten Ansatz aus – und sollen auch nach der Pandemie die Integrationsarbeit bereichern. Nacheinander sollen auf der Webseite des Bundesamtes alle vier Projekte vorgestellt werden - beginnend mit “Bring dich ein – Your Voice Matters”, ein Projekt des Volkhochschulverbandes Baden-Württemberg, das sich besonders an Personen ohne Wahlrecht bei Landtags- und Bundestagswahlen richtet und sie zum aktiven Mitgestalten der Gesellschaft ermutigt.
Ljubica Prodanovic sitzt vor ihrem Computer in ihrer Wohnung. Dann stellt die junge Serbin eine Frage auf Deutsch in ihr Mikrofon. Nicht irgendjemandem, sondern einer deutschen Bundespolitikerin. Prodanovic lebt seit eineinhalb Jahren in Deutschland. Nun ist sie aktiv dabei bei einem digitalen politischen Austausch. Prodanovic ist Teilnehmerin am Modellprojekt "Bring dich ein – Your voice matters". Es ist eines von insgesamt vier Modellprojekten, die das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) zum Thema "Gesellschaftlichen Zusammenhalt stärken trotz Distanz" fördert.
Träger des Projekts ist der Volkshochschulverband Baden-Württemberg. Ziel ist es, Menschen ohne Wahlrecht anzusprechen. "Wie kann ich mich aktiv an gesellschaftlichen und politischen Prozessen beteiligen, obwohl ich nicht wählen darf? Durch Bildungs-, Austausch- und Partizipationsangebote wollen wir die Teilnehmerinnen und Teilnehmer befähigen, sich bürgerschaftlich und politisch zu engagieren"
, erklärt Andrea Bernert-Bürkle vom Volkshochschulverband.
Insgesamt an sechs Standorten in Baden-Württemberg wird das Pilotprojekt durchgeführt: in Aalen, Geislingen, Oberschwaben, Schwetzingen, Stuttgart und Tübingen. Ljubica Prodanovic wohnt mit ihrem Mann und den drei Kindern in Bad Schussenried (Oberschwaben): "Ich bin auf Instagram auf das Projekt gestoßen. Es hat mich sofort interessiert"
, sagt die 43-Jährige.
Austausch, Exkursionen, politische Bildung
Ban Ismail dagegen erfuhr bei der Volkshochschule Stuttgart davon. Die 26-jährige Palästinenserin, die in Syrien geboren und aufgewachsen ist, ist so überzeugt von "Bring dich ein", dass sie bereits weitere Teilnehmende gewinnen konnte. Zudem hat die BWL Studentin zwei Online-Veranstaltungen mitmoderiert, einen digitalen Dialog mit der baden-württembergischen Landtagspräsidentin Muhterem Aras und einen digitalen Austausch mit Annette Widmann-Mauz, Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration. Bei diesen zentralen Veranstaltungen hatten Projektteilnehmende aus allen Standorten die Möglichkeit, den Politikerinnen persönliche Fragen zu stellen. Dass sie bei der Bundestagswahl nicht wählen darf, findet Ban Ismail, die als Staatenlose gilt, schade. "Das hält mich aber nicht davon ab, mich zu engagieren. Ich habe viel Hilfe bekommen, ich möchte etwas zurückgeben."
Quelle: privat
Zusätzlich sind zehn Veranstaltungen je Projektstandort geplant. In Aalen etwa, wo ein neuer Oberbürgermeister gewählt wurde, stellten sich die Kandidaten den Fragen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer. In Tübingen wird der Integrationsrat der Stadt besucht, der dieses Jahr neu gewählt wird. Zur Wahl können sich Menschen mit und ohne Wahlrecht aufstellen lassen. In Schwetzingen gibt es politische Spaziergänge. In Stuttgart liegt der Schwerpunkt auf politischer Bildung vor allem für Frauen. Dort wird sicheres Auftreten geübt, genauso wie Argumentieren oder sich Präsentieren. Am Ende des Projekts sollen rund 500 bis 600 Personen ohne Wahlrecht in Deutschland an den Veranstaltungen teilgenommen haben und Möglichkeiten entdecken, sich zu engagieren.
"Durch das Projekt bekomme ich Selbstvertrauen für Engagement"
"Ich interessiere mich sehr für Politik"
, sagt Ljubica Prodanovic. "Gerade lerne ich viel über deutsche Politik. Und durch das Projekt ist mir klar geworden, dass ich auch etwas tun kann."
Sie denkt darüber nach, Treffen in Schulen oder Kindergärten zu organisieren, die sie "Sprache und Kaffee"
nennen würde. Beim Kaffeetrinken Deutsch lernen – sofern es Corona zulässt. Ljubica Prodanovic kann sich auch vorstellen, eine Anlaufstelle einzurichten für Menschen mit Problemen. "Es ist gut, einen Ort zu haben, wo man hingehen kann und Hilfe bekommt"
, sagt die gelernte Bibliothekarin und Informatikerin.
Teilhabe, Mitgestaltung und Empowerment. Das sind Ziele des wirkungsorientierten Ansatzes des Modellprojekts. "Durch das Projekt"
, sagt Ljubica Prodanovic, "bekomme ich Selbstvertrauen für Engagement".
Das Projekt "Bring dich ein – Your Voice Matters" läuft noch bis Ende November. Danach werden die Ergebnisse und Erfahrungen in einer Handreichung zusammengefasst und anderen Einrichtungen der Erwachsenenbildung zur Verfügung gestellt. Denn ein Ziel ist, dass "Bring dich ein" Nachahmerinnen und Nachahmer findet, um die Integration zu fördern und Identifikation mit Land, Werten und Gesellschaft zu stärken.
Text: Iris Lemanczyk