Von Frau zu Frau Brücken bauen , Datum: 03.02.2020, Format: Meldung, Bereich: Integration

In den Internationalen Erzählcafés für Frauen in Hannover erzählen Frauen aus aller Welt einander von und aus ihrem Leben. Auf vielen Sprachen – oder mit beschreibenden Gesten. Dadurch lernen sie viel Neues kennen und vor allem: Sie stärken sich gegenseitig.

"Kommt, lasst uns alle tanzen", ruft Yildiz Demirer und klatscht fröhlich in die Hände. Die Sozialarbeiterin aus dem Fachbereich Soziales, Sachgebiet Integrationsmanagement für Flüchtlingsunterkünfte der niedersächsischen Landeshauptstadt Hannover, merkt, dass die Frauen eine Pause brauchen. Fast eine Stunde lang haben sie rund um eine lange Tafel aus Tischen gesessen und sich konzentriert. Auf die anderen Frauen, auf sich selbst, auf die deutsche Sprache – und ganz nebenbei haben sie auch noch ihre herumwuselnden kleinen Kinder im Auge behalten.

Projekt läuft noch bis 2021

Wie jeden Donnerstagnachmittag findet das Internationale Erzählcafé für Frauen in der Gemeinschaftsunterkunft für Flüchtlinge im hannoverschen Stadtteil Sahlkamp statt. Das städtische Projekt, das von Yildiz Demirer in jahrelanger Arbeit entwickelt wurde, wird seit 2018 vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) gefördert und inzwischen wissenschaftlich von der Hochschule Hannover begleitet. Es läuft noch bis Ende 2021 und findet an drei weiteren Standorten in der Stadt statt. Nach Ablauf der Förderzeit soll es mindestens an einem Ort zum Beispiel als Internationales Frauencafé weitergeführt werden.

Frauen aus unterschiedlichen Kulturen kommen zusammen

In den zwei Stunden des Erzählcafés lernen die Frauen ganz verschiedene Dinge. Zum Beispiel, einander aufmerksam zuzuhören, sich gegenseitig ernst zu nehmen, aufeinander zu achten, sich in das Gegenüber einzufühlen und sich und die anderen Frauen zu stärken. Das ist keine Selbstverständlichkeit, denn die Frauen haben unterschiedliche Hintergründe, Lebensgeschichten und Herkunftsländer: etwa Irak, Indien oder Afghanistan. Dass sie alle Frauen sind verbindet sie, das baut Brücken. Die meisten haben außerdem traumatische Erfahrungen und eine Flucht hinter sich.

Vier Frauen stehen lächend im Halbkreis und heben die Hände hoch. Aus aller Welt nach Deutschland gekommen: die Frauen stammen aus den unterschiedlichsten Kulturen, doch das trennt sie im Erzählcafé nicht. Quelle: BAMF | Sigrid Krings

Bald ist der Raum von Lachen erfüllt

Marziye ist als eine der ersten auf der kleinen "Tanzfläche". Auf dem Arm hält die 24-jährige Frau aus Afghanistan ihr kleines Töchterchen Zarina. "Oh ja, Tanzen macht uns beiden Spaß", flüstert sie und schwingt behutsam mit der Kleinen los. Die anderen folgen und bald ist der kleine Raum vom Lachen und Klatschen der tanzenden Frauen erfüllt. Auch Farah aus dem Irak, 23 Jahre alt und bereits Mutter von zwei Kindern, ist dabei. Sie und Marziye haben sich im Erzählcafé kennengelernt. Die beiden haben sich dort so gut angefreundet, dass die eine die andere dazu motiviert hat, nach dem erfolgreichen Besuch eines Sprachkurses gemeinsam die Schulbank zu drücken. Beide wollen im September den Hauptschulabschluss ablegen und anschließend jeweils eine Ausbildung zur Krankenschwester beginnen. Sie sagen: "Hier haben wir eine Zukunft. Die hatten wir in unserer Heimat nicht."

Zur Gruppenleiterin weitergebildet

Nun ist es Leila Barghazadegan, die eine weitere Erzählrunde am Tisch einläutet. Die 48-Jährige ist zu Beginn des Projekts als Dolmetscherin in die Gruppe gekommen. Dann aber hat sie eine umfangreiche Weiterbildung zur Gruppenleiterin absolviert und ist inzwischen als Honorarkraft für die Leitung von zwei Internationalen Erzählcafés zuständig. Diese Weiterbildung haben außerdem auch acht geflüchtete Frauen besucht. Sie sind inzwischen als sogenannte "Teamerinnen" in den Erzählcafés tätig, haben verbindliche Aufgaben und dadurch Verantwortung für die Gruppe übernommen – ein ganz wichtiger Schritt hin zu einer Normalität des Lebens. "Wer von euch findet, dass die Küche ein sehr wichtiger Ort in der Wohnung ist?", fragt Leila Barghazadegan. "Die Küche ist der Mittelpunkt der Wohnung, dort wird das Essen zubereitet", antwortet eine. Die anderen Frauen stimmen zu. Einige antworten auf Deutsch, andere in ihrer Muttersprache. Damit alle verstehen, wird zwischendurch in die unterschiedlichen Sprachen übersetzt. Der Erwerb der deutschen Sprache steht nicht im Mittelpunkt der Treffen. Wohl aber das verständliche Sich-Ausdrücken-Können, auch mit Hilfe von Gesten.

Zum Abschied gibt es Umarmungen

Am Schluss planen die Frauen gemeinsam den Ablauf des nächsten Treffens. "Wir könnten uns warm anziehen und rausgehen", schlägt eine vor. Schnell ist man sich einig, dass das eine gute Idee ist. Viele Umarmungen und Küsse gibt es zum Abschied, dann geht jede ihres Weges. "Bis nächste Woche", rufen sie sich auf Deutsch, Farsi, Dari und Kurdisch zu. Gleiche Zeit, gleicher Ort, gleiches Ziel: Erzählen, um zu verstehen und um verstanden zu werden.

Text: Sigrid Krings

Das Projekt "JinNswanZènan – Frauen finden Worte und gestalten mit. Internationales Erzählcafé für Frauen"

Die Internationalen Erzählcafés "JinNswanZènan" richten sich an geflüchtete Mädchen und Frauen in Hannover und finden an vier verschiedenen Standorten in der Stadt statt. Bei den Treffen steht der Dialog im Fokus – in vielen verschiedenen Sprachen und mittels Gesten tauschen sich die Teilnehmerinnen zu verschiedensten Themen aus. Obwohl die Frauen aus verschiedenen Ländern stammen und unterschiedlichste kulturelle Hintergründe haben, findet in den Erzählcafés ein reger Austausch statt – die Teilnehmerinnen helfen und stärken sich dort gegenseitig.

Seit 2018 wird das Projekt "JinNswanZènan" durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) gefördert, dies soll noch bis 2021 fortgeführt werden. Nach Ablauf des Förderzeitraumes soll das Internationale Erzählcafé an mindestens einem Standort exemplarisch weitergeführt werden.