Bleibe- und Rückkehrabsichten von Geduldeten , Datum: 05.02.2025, Format: Meldung, Bereich: Behörde , App-basiertes Umfrageexperiment unter westafrikanischen Geflüchteten

Ende 2024 lebten rund 180.000 Menschen mit einer Duldung in Deutschland. Geduldete sind zur Ausreise verpflichtet. Ihre Rückführung wird jedoch aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen vorübergehend ausgesetzt. Die Lebenssituation geduldeter Menschen befindet sich demnach im Spannungsfeld zwischen Bleiben und Zurückkehren. Welche Faktoren einen Einfluss auf die Absicht haben, in Deutschland zu bleiben oder in das Herkunftsland zurückzukehren, untersuchte die BAMF-Kurzanalyse "Bleibe- und Rückkehrabsichten von Geduldeten: Erkenntnisse aus einem Umfrageexperiment mit westafrikanischen Schutzsuchenden".

Eine Frau lächelt in die Kamera. Anne-Kathrin Carwehl Quelle: © privat

Geduldete Menschen sind für die Forschung keine leicht zu erreichende Gruppe. Fragen zu Bleibe- und Rückkehrabsichten stellen für sie ein sensibles Thema dar. Wie das Forschungszentrum des Bundesamtes für Migration und Flüchtlingen (BAMF-FZ) diesen Herausforderungen begegnet ist und zu welchen Ergebnissen die Befragung von Geduldeten führte, erläutert Anne-Kathrin Carwehl, wissenschaftliche Mitarbeiterin im BAMF-FZ, im Interview.

Frau Carwehl wovon hängen Bleibe- und Rückkehrabsichten geduldeter Menschen maßgeblich ab?

Carwehl: "Es zeigt sich ganz deutlich, dass eine verbesserte Situation im Herkunftsland zu höheren Rückkehrabsichten führt. Umgekehrt zeichnet sich eine Bleibeneigung dann ab, wenn geduldete Personen in Deutschland arbeiten und wenn ihre Kinder ebenfalls in Deutschland leben.
Erwartungen von Angehörigen im Herkunftsland sowie deutsche Sprachkenntnisse spielen eine geringere Rolle für die Bleibe- und Rückkehrabsichten. Zudem konnten wir feststellen, dass die Höhe der finanziellen Rückkehrhilfen, ein erhöhtes Rückführungsrisiko oder verbesserte Chancen auf einen legalen Aufenthalt in Deutschland nur einen geringen Einfluss haben."

Wie konnten Sie Geduldete für die Teilnahme am Umfrageexperiment gewinnen?

Carwehl: "Um möglichst viele Personen für unsere Umfrage zu gewinnen, haben wir ein besonderes Verfahren genutzt: ein kontrolliertes Schneeballverfahren (Respondent-Driven Sampling). Es ermöglicht den Teilnehmenden, die Umfrage in ihrem sozialen Umfeld weiterzugeben. Sowohl die Teilnahme an der Umfrage als auch die anschließende Weitergabe erfolgte über eine eigens entwickelte App. Zuvor haben wir mit ethnografischer Begleitung über einen längeren Zeitraum ein vertrauensvolles Verhältnis zu ersten Kontaktpersonen aufgebaut. Sie waren es, die die Umfrage anschließend mit Personen in ihrem sozialen Umfeld teilten. Zusätzlich haben wir Einladungen zur Teilnahme an der Umfrage an 1.500 zufällig ausgewählte Personen aus der Zielgruppe postalisch verschickt."

Wie haben Sie die Teilnehmenden befragt?

Carwehl: "Geduldete Personen haben meist wenig Erfahrung mit Umfragen und es könnte ihnen schwerfallen, Fragen mithilfe der in der Wissenschaft üblichen Skalen zu beantworten. Deshalb haben wir ein innovatives Umfrageexperiment durchgeführt: eine sogenannte Vignettenstudie. Sie ermöglicht eine vereinfachte Darstellung auch komplexer Themen, indem eine Alltagssituation dargestellt wird. In unserer Vignettenstudie wurden die Teilnehmenden gebeten, vier fiktiven geduldeten Personen Empfehlungen zu einem Verbleib in Deutschland oder einer Rückkehr in ihr Herkunftsland auszusprechen. Die indirekte Art der Befragung führt dabei zu intuitiven Antworten. So können wir auch vermeiden, dass Teilnehmende sozial erwünschte Antworten geben."


Bleibe- und Rückkehrabsichten von Geduldeten Format: Kurzanalyse

Die BAMF-Kurzanalyse 02|2025 beleuchtet die Bleibe- und Rückkehrabsichten geduldeter Menschen in Deutschland und gibt Einblicke in individuelle Entscheidungsprozesse.