Wege aus der Ausreisepflicht ,
Die Durchsetzung der Ausreisepflicht ist gegenwärtig das zentrale Thema der öffentlichen und politischen Migrationsdebatte. Um datenbasiert zur Diskussion beizutragen, untersucht das BAMF-Forschungszentrum in einer neuen Kurzanalyse, wie und wann Personen mit ablehnender Asylentscheidung ihre Ausreisepflicht beenden.
In Deutschland leben rund 170 000 Personen, die ein Asylverfahren mit negativem Ausgang durchlaufen haben und im Zuge dessen ausreisepflichtig geworden sind (Stand: 1. Halbjahr 2023). Der Großteil davon, rund 149 000, ist im Besitz einer Duldung. Personen mit einer Duldung sind zwar weiterhin ausreisepflichtig, jedoch ist ihre Rückführung aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen ausgesetzt.
Die Kurzanalyse Wege aus der Ausreisepflicht nach ablehnender Asylentscheidung untersucht aufenthaltsrechtliche Verläufe aller ausreisepflichtigen Personen, die zwischen 2013 und 2022 eingereist sind und eine ablehnende Asylentscheidung erhalten haben. Die Datengrundlage ist das Ausländerzentralregister. Die Studie betrachtet, auf welchen Wegen in den vergangenen zehn Jahren Ausreisepflichten tatsächlich beendet wurden. Wann ist welcher Weg am wahrscheinlichsten? Eine freiwillige Ausreise, eine zwangsweise Rückführung, der Erhalt einer Aufenthaltserlaubnis oder ein Asylfolgeverfahren?
Im Interview erläutert die Autorin, Dr. Laura Peitz, wissenschaftliche Mitarbeiterin beim BAMF-FZ, zentrale Ergebnisse der Kurzanalyse.
Welcher Weg führte am häufigsten aus der Ausreisepflicht?
Die häufigsten Wege aus der Ausreispflicht in den vergangenen zehn Jahren waren die freiwillige Ausreise und der Erhalt einer Aufenthaltserlaubnis. Diese beiden Wege wurden insgesamt etwa gleich häufig gewählt. Hervorzuheben ist, dass eine freiwillige Ausreise in den ersten zwei Jahren nach Eintreten der Ausreisepflicht am wahrscheinlichsten ist. Mit zunehmender Aufenthaltsdauer der Personen in Deutschland wird eine Ausreise seltener in Erwägung gezogen. Dieses Ergebnis rückt die Förderung freiwilliger Rückkehr in den Vordergrund der Debatte zu wirksamer Rückführungspolitik. Es ist wichtig, Rückkehrberatung frühzeitig und im Verlauf der ersten beiden Aufenthaltsjahre mit Ausreisepflicht häufiger anzubieten sowie Reintegrationsunterstützung auszubauen.
Wie beurteilen Sie das neu eingeführte Chancen-Aufenthaltsrecht vor dem Hintergrund der gewonnen Erkenntnisse?
Personen, die bereits seit mehreren Jahren ausreisepflichtig sind, beenden diese tendenziell durch den Erhalt einer Aufenthaltserlaubnis oder verbleiben weiterhin ausreisepflichtig in Deutschland. Die Ausreisewahrscheinlichkeit sinkt mit zunehmender Aufenthaltsdauer deutlich. Deshalb kann die Zahl der ausreisepflichtigen Personen nicht allein durch rückkehrpolitische Maßnahmen reduziert werden. Das neu eingeführte Chancen-Aufenthaltsrecht (§104c Aufenthaltsgesetz) ergänzt das rückkehrpolitische Packet und bietet langjährig Geduldeten die Möglichkeit auf eine 18-monatigen Aufenthaltserlaubnis. Während dieser Zeitspanne müssen dann bestimmte Vorrausetzungen, wie Spracherwerb und Sicherung des Lebensunterhaltes, erfüllt werden, um eine dauerhafte Bleibeperspektive in Deutschland zu erhalten. Selbst Geduldete mit "Duldung light" (§60b AufenthG) können ihren Aufenthalt dadurch potentiell verstetigen. Diese Personengruppe unterliegt umfangreichen rechtlichen Einschränkungen und war bisher vom Erhalt einer Aufenthaltserlaubnis ausgeschlossen. Unsere Analysen zeigen, dass auch für sie eine Ausreise mit zunehmender Aufenthaltsdauer eher unwahrscheinlich ist.
Hintergrund
Die Kurzanalyse "Wege aus der Ausreiseplicht nach ablehnender Asylentscheidung" entstand im Rahmen des Forschungsprojekts Machbarkeitsstudie zur Im-/Mobilität ausreisepflichtiger Personen in Deutschland (MIMAP)
Ziel des Projekts ist es, Lebensrealitäten von Personen mit Ausreisepflicht zu untersuchen.
Beendigung der Ausreisepflicht nach ablehnender Asylentscheidung
Die BAMF-Kurzanalyse 1|2023 untersucht Muster bei der Beendigung der Ausreisepflicht nach ablehnender Asylentscheidung. Die empirischen Analysen beruhen auf Längsschnittdaten aus dem Ausländerzentralregister (2013 bis 2022) und nehmen Fortzug, Abschiebung, Aufenthaltserlaubnis und Asylfolgeverfahren als mögliche Wege aus der Ausreisepflicht in den Blick.