Integration von Migrantinnen in Deutschland , Datum: 08.03.2023, Format: Meldung, Bereich: Behörde , EMN Deutschland Paper

Am 8. März ist Weltfrauentag. Frauen stellen mehr als die Hälfte der Bevölkerung in Deutschland, rund 27 Prozent haben einen Migrationshintergrund. Wie steht es um ihre Integration? Die neue Studie des Europäischen Migrationsnetzwerkes (EMN) behandelt zentrale Forschungsbefunde zu Bildung, Sprache und Erwerbstätigkeit, aber auch zu Wohnsituation, Gesundheit und politischer Partizipation von Migrantinnen.

Die EMN-Studie "Integration von Migrantinnen in Deutschland: Politiken und Maßnahmen" richtet ein besonderes Augenmerk auf Frauen, die die Staatsangehörigkeit eines Drittstaats besitzen. Damit sind Staaten gemeint, die nicht Mitglied der EU sind. In Deutschland leben rund 11 Millionen Frauen mit Migrationshintergrund, darunter sind etwa 3 Millionen Drittstaatsangehörige. Im Interview spricht BAMF-Forscher und Mitautor der Studie Kaan Atanisev über Ergebnisse und zieht Bilanz.

Herr Atanisev, was haben Sie in Bezug auf die Bildung und Erwerbstätigkeit von Migrantinnen herausgefunden?

Ein Mann lächelt in die Kamera. Kaan Atanisev. Quelle: © privat

Kaan Atanisev: Migrantinnen haben sehr unterschiedliche Bildungsabschlüsse, weil sie sehr heterogene soziale Hintergründe haben. So weisen zum Beispiel rund 40 Prozent der drittstaatsangehörigen Frauen einen hohen Bildungsabschluss wie die Fachhochschulreife oder das Abitur auf. Damit ist der Anteil sogar leicht höher als bei Frauen ohne Migrationshintergrund.
Wir wissen aber auch, dass Migrantinnen trotz ihres teils hohen Bildungsstandes und einer hohen Erwerbsmotivation nach wie vor seltener am deutschen Arbeitsmarkt partizipieren als zugewanderte Männer und auch seltener als Frauen ohne Migrationshintergrund. So betrug im Jahr 2021 die Erwerbstätigenquote von drittstaatsangehörigen Frauen rund 44 Prozent. Die Gründe hierfür sind vielfältig: Neben einem Vereinbarkeitsdilemma von Familie und Beruf sowie unzureichenden Kinderbetreuungsmöglichkeiten spielen insbesondere Anerkennungshürden bei im Ausland erworbenen Qualifikationen eine erhebliche Rolle.

Wohnen – ein Thema, das gesamtgesellschaftlich immer bedeutender wird und auch Frauen aus Drittstaaten betrifft. Was haben Ihre Analysen hierzu ergeben?

Atanisev: Wohngerechtigkeit und Wohnungsknappheit sind sehr komplexe Themen und betreffen Frauen und Männer. Allerdings zeigen sich hier große Unterschiede zwischen deutschen Staatsangehörigen und Drittstaatsangehörigen. Letztere leben deutlich häufiger in beengten Wohnverhältnissen. Besonders unter Geflüchteten besitzen Städte als Wohnort eine hohe Attraktivität, wo deutlich weniger freier Wohnraum zur Verfügung steht als auf dem Land. Geschlechtsspezifische Erkenntnisse fehlen in diesem Bereich – wie übrigens auch im Bereich Gesundheit. Es gibt allerdings empirische Untersuchungen zur Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt aufgrund der ethnischen Herkunft, wovon Frauen, die beispielsweise ein Kopftuch tragen, häufiger betroffen sind.

Wie sieht Ihr Fazit aus?

Atanisev: Es ist nach wie vor so, dass Migrantinnen in vielen Lebensbereichen aufgrund ihres Geschlechts und ihres Migrationshintergrundes eine "doppelte Benachteiligung" erfahren und deshalb besondere Integrationshürden aufweisen. So sehen wir beispielsweise, dass zugewanderte Frauen nicht selten hohe Bildungsabschlüsse und Qualifikationen erwerben, sie diese aber aufgrund von hohen Anerkennungsanforderungen in Deutschland, insbesondere in Erziehungs- und Gesundheitsberufen, nicht einsetzen können. Maßnahmen, die wir in der Studie benennen, versuchen diese Hürden abzubauen, indem zum Beispiel Frauen in den Sprachkursen und bei Teilnahme an Bildungsmaßnahmen durch ergänzende Kinderbetreuungsangebote entlastet werden.

Publikationen des Europäischen Migrationsnetzwerks zum Thema

Das EMN Deutschland Paper (bisher nationale Studie) stellt den deutschen Beitrag zur EMN-Studie "Integration of migrant women in the EU and Norway: Policies and measures" dar. Die Studie wurde in allen beteiligten EU-Mitgliedstaaten und Norwegen nach gemeinsamen Vorgaben durchgeführt. Die Ergebnisse der nationalen Studien flossen anschließend in eine vergleichende EMN-Studie (bisher EMN-Synthesebericht) ein, die einen gesamteuropäischen Überblick über die Integration von Migrantinnen sowie über die politischen Integrationsansätze in den jeweiligen Staaten gibt. Zudem gibt es eine Kurzfassung in Form des EMN-Inform und des einseitigen EMN-Flash, die zum Download bereitstehen.