EMN-Studie: Anwerbung von außereuropäischen Startups , Datum: 16.09.2020, Format: Meldung, Bereich: Behörde

Die nationale Kontaktstelle des Europäischen Migrationsnetzwerks (EMN) untersucht in der neuen Studie unter anderem die politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen zur Anwerbung internationaler Startups, die Einreisebedingungen sowie die spezifischen Förderprogramme. Im Interview berichten die Autoren von den zentralen Ergebnissen.

Startups sowie Startup-Gründerinnen und -Gründer werden vielfach als treibende Kräfte für Innovationen in unterschiedlichen Gesellschafts- und Wirtschaftsbereichen verstanden, die unter anderem den Weg ins digitale Zeitalter ebnen. So wird die Förderung von Startups und innovativen Unternehmensgründungen seit der Jahrtausendwende auch von allen Bundesregierungen als ein wichtiges Element der wirtschaftlichen Standortentwicklung Deutschlands betrachtet.

Die explizite Anwerbung von außereuropäischen Startups über spezifische Förderprogramme spielt in der staatlichen Förderlandschaft in Deutschland bisher jedoch nur eine untergeordnete Rolle, so das Ergebnis einer neuen Studie der nationalen Kontaktstelle des Europäischen Netzwerks.

Die Autoren der Studie Janne Grote, wissenschaftlicher Mitarbeiter der deutschen EMN-Kontaktstelle und des BAMF-Forschungszentrums, und Kooperationspartner Dr. Ralf Sänger von der IQ Fachstelle Migrantenökonomie erläutern im Interview die zentralen Ergebnisse.


Wie hat sich die Startup-Landschaft in Deutschland in den vergangenen Jahren entwickelt?

Ein Mann steht am Rednerpult und blickt in die Kamera. Janne Grote Quelle: Christian-Michel Joiris

Janne Grote: Insgesamt entwickelt sich der Startup-Standort Deutschland recht dynamisch. So gab es laut Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) im Jahr 2019 rund 70.000 Startups, während es im Jahr 2016 noch 54.000 Startups waren. Gründe für diese Entwicklung sind unter anderem die deutlich ausgebauten staatlichen Förderangebote und eine sich dynamisch entwickelte privatwirtschaftliche Förderlandschaft. Über die Anzahl der durch Drittstaatsangehörige gegründeten Startups in Deutschland gibt es keine verlässlichen Statistiken.

Dr. Ralf Sänger: Dokumentiert ist allerdings, dass über die vergangenen Jahre deutlich mehr internationale Investorinnen und Investoren im Startup-Bereich nach Deutschland gekommen sind und insbesondere Berlin als Startup-Ökosystem ein dynamisches Wachstum erlebt.
Betrachten wir die wichtigsten Branchen für Startups in Deutschland sind dies die IT- und Softwareentwicklung, aber auch industrielle Technologie und Hardwareentwicklung, E-Commerce und Online-Marktplätze. Das nach Anzahl von Startup-Gründungen und erfolgten Investments in Startups seit vielen Jahren bedeutendste "Startup-Ökosystem" in Deutschland ist Berlin. Weitere wichtige "Startup-Hubs" sind Brandenburg, die Metropolregion Rhein-Ruhr in Nordrhein-Westfalen, Frankfurt, München, Stuttgart/Karlsruhe sowie Hamburg.

Welche Einreisebestimmungen gelten für Drittstaatsangehörige, die ein Startup in Deutschland gründen wollen?

Sänger: Startup-Gründerinnen und -Gründer aus Drittstaaten müssen für ihre Einreise nach Deutschland in der Regel ein Visum und anschließend eine Aufenthaltserlaubnis zum Zweck der selbständigen Tätigkeit nach § 21 AufenthG beantragen. In Deutschland gibt es kein spezifisches Startup-Visum und auch keine spezifische Startup-Aufenthaltserlaubnis beispielsweise in Form eines "Fast-Track", wie sie in zahlreichen anderen EU-Mitgliedstaaten oder auch außerhalb der EU in den letzten Jahren entstanden sind.
Für die Erteilung eines Visums bzw. einer Aufenthaltserlaubnis zum Zweck der Selbständigkeit für Drittstaatsangehörige muss ein wirtschaftliches Interesse oder ein regionales Bedürfnis bestehen, positive Auswirkungen auf die Wirtschaft sind erwartbar, die Finanzierung muss gesichert sein und die antragstellende Person musst unternehmerische Erfahrungen nachweisen können. Einige Online-Plattformen bieten hierzu relevante Informationsvermittlung, wie zum Beispiel das Online-Portal der Bundesregierung für Fachkräfte aus dem Ausland "Make it in Germany" mit seiner Hotline "Arbeiten und Leben in Deutschland", sowie die Webseite www.wir-gruenden-in-deutschland.de der IQ Fachstelle Migrantenökonomie oder das Existenzgründerportal des Bundeswirtschaftsministeriums.

Auf welche Fördermöglichkeiten können Startup-Gründerinnen und -Gründer in Deutschland grundsätzlich zugreifen?

Grote: Die Förderinstrumente des Bundes umfassen unter anderem Gründungskredite in unterschiedlichen Höhen und mit unterschiedlichen Konditionen, wie beispielsweise der "ERP-Gründerkredit – StartGeld" oder das Förderprogramm "Exist – Existenzgründungen aus der Wissenschaft". Hauptakteure bei der Bundesförderung sind insbesondere das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) als gesamtverantwortliches Ministerium und die Kreditanstalt für Wiederaufbau als durchführende Institution

Sänger: Darüber hinaus wurden in den vergangenen zwei Jahrzehnten mehrere Gründerfonds und Wagniskapital-Programme mit einem Gesamtvolumen von teils mehreren Hundert Millionen Euro aufgelegt.
Bei den Strategien der Bundesländer stechen wiederum vier Themengebiete für die Förderung von innovativen Startups hervor: Digitalbasierte Gründungsvorhaben, Technologieförderung, Gründungen aus der Wissenschaft und die Weiterentwicklung der Finanzierungsmöglichkeiten in unterschiedlichen Startup-Phasen.

Welche spezifischen Strategien zur Anwerbung von außereuropäischen Startups lassen sich in der deutschen Förderlandschaft ausmachen?

Sänger: In Deutschland steht zwar der Großteil der allgemeinen Förderinstrumente auch außereuropäischen Startup-Gründerinnen und -Gründern offen, allerdings werden Drittstaatsangehörige, die sich noch im Ausland befinden, in der Regel nicht explizit adressiert. Spezifische Anwerbeprogramme und Förderinstrumente für außereuropäische Startups sind wiederum selten. Sie sind zudem entweder an einzelne Kooperationsregionen und -länder gebunden oder es handelt sich um allgemeine Internationalisierungsstrategien, die in erster Linie Startups aus Deutschland für den internationalen Markt vorbereiten sollen und hierbei auch Beratungs- und Unterstützungsstrukturen für Startups aus Drittstaaten anbieten.

Grote: Zahlreiche Bundesländer konzentrieren sich bisher hauptsächlich auf eine Unterstützung der Ausweitung der Geschäftsaktivitäten deutscher Startups ins Ausland, seltener in umgekehrte Richtung. Dies wird in erster Linie durch Kooperationen mit international bekannten Startup-Regionen erreicht. Zudem werden regelmäßig Delegations- und Erkundungsreisen in ausländische Märkte für qualifizierte Startups realisiert. Einige Bundesländer bieten laut der Mitte 2019 befragten Wirtschaftsministerien der Länder wiederum keine spezifischen Förderprogramme für außereuropäische Startups an.

Welchen Herausforderungen begegnen Startup-Gründerinnen und Gründer aus Drittstaaten in Deutschland?

Vergleichspublikationen zum Thema

Die Studie wurde von den nationalen Kontaktstellen des EMNs, der EU-Kommission sowie Expertinnen und Experten aus der Wissenschaft konzipiert und von 25 Mitgliedstaaten für ihren jeweiligen Mitgliedstaat erstellt. Die Ergebnisse wurden in einem EU-weit vergleichenden Bericht zusammengeführt, der in einer Kurzfassung EMN-Flash, einer ausführlicheren Fassung EMN-Inform und einer Langfassung EMN-Synthesebericht zum Download bereit steht.

Grote: Hier sind vor allem aufenthaltsrechtliche Hürden, sprachliche Hürden, bürokratische Hürden, finanzielle Rahmenbedingungen, fehlende Transparenz bei den vielfältigen Bundes- und Länderförderprogrammen, regionale Standortfaktoren und Gründungskultur, Heterogenität der EU-weiten Einreisebestimmungen und uneinheitliche Definition von Startups zu nennen.

Sänger: Abhilfe schaffen könnten beispielsweise durchgängig mehrsprachige Angebote sowie vielsprachige zentrale Anlauf- und Beratungsstellen, die die Gesamtförderlandschaft in Bund und Ländern überblicken und diese gegebenenfalls auf zentralen Online-Plattformen aufbereiten. Ausbaupotential besteht zudem bei bi- und multilateralen Austausch- und Anwerbungsprogrammen. Auch wäre aus Sicht Deutschlands zu prüfen, inwieweit Startup-Visa oder Startup-Aufenthaltserlaubnisse konkrete Erleichterungen bringen und Standortvorteile bei der Anwerbung und Bindung internationaler Startups verschaffen können.

Die vollständige Studie finden Sie nachfolgend.


Anwerbung und Förderung von außereuropäischen Startups Format: Working Paper, Dieser Download ist in weiteren Sprachen verfügbar

Die EMN-Studie thematisiert die Voraussetzungen der Gründung eines Startups sowie die allgemeinen Förderinstrumente in Deutschland. Im Fokus der Betrachtungen stehen dabei die Einreisebestimmungen sowie die spezifischen Förderinstrumente für internationale Startups auf Bundes- und Landesebene.