Elternarbeit während der Corona-Situation:
Aus Herausforderungen Chancen machen
, Datum: 27.05.2020, Format: Meldung, Bereich: Integration

Bei der Umsetzung der Maßnahmen zur Eindämmung der Verbreitung des Coronavirus stehen besonders Eltern vor großen Herausforderungen: Homeschooling, Kinderbetreuung und Kontaktbeschränkungen stellen das Familienleben auf den Kopf. Die Elternverbände Bundesverband russisch-sprachiger Eltern e.V. (BVRE), die Föderation Türkischer Elternvereine in Deutschland (FÖTED) sowie der Bund der Spanischen Elternvereine in der Bundesrepublik Deutschland e.V. (Confederación) arbeiten gemeinsam an der Stärkung der Elternarbeit und der Elternbildung, um diese bundesweit zu professionalisieren. Seit 2020 wird dieses Modellprojekt durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) gefördert. Innerhalb kürzester Zeit haben die Verbände ihre Arbeit nun an die neue Situation angepasst, um ihre Mitgliedsorganisationen und damit auch die Familien vor Ort zu unterstützen.

Vor allem vier Themenkomplexe spielen bei den Anfragen an Elternvereine und damit auch an die übergeordneten Dachverbände eine besonders große Rolle: Zum einen gilt es, die Kinderbetreuung und den Unterricht zu Hause zu bewerkstelligen. Zum anderen sind auch der Umgang mit den durch die Kontaktbeschränkungen entstehenden psychosozialen Herausforderungen und die Ungewissheit bezüglich der beruflichen Zukunft Themen, die Eltern umtreiben. Doch auch Beratungsstellen und Vereine, die bei all diesen Fragen normalerweise weiterhelfen könnten, mussten ihren normalen Betrieb ein- beziehungsweise umstellen. Digitale Beratungs- und Freizeitangebote können in der aktuellen Situation eine gute Alternative sein – wenn auch kein restloser Ersatz für Präsenzveranstaltungen und die Vereinsarbeit vor Ort.

"Die Ausgangssituation ist natürlich für alle Eltern eine große Herausforderung", sagt Dr. Mehmet Alpbek, Bundesgeschäftsführer von FÖTED. "Bei Eltern mit Migrationsgeschichte kann aber erschwerend hinzukommen, dass es zum Beispiel Sprachbarrieren gibt. Häufig ist außerdem die technische Infrastruktur, zum Beispiel Laptop oder Drucker, nicht oder nicht ausreichend vorhanden." Auch würden Kinder durch die Corona-Pandemie und die damit einhergehenden Einschränkungen stark verunsichert, weil sie zum Beispiel ihre Großeltern und Freunde nicht besuchen oder ihrem Lieblingssport nachgehen könnten, ergänzt Enriqueta Nazario, Projektleiterin bei Confederación.

Intensiver Austausch ist das A und O

Doch die drei bundesweit tätigen Elterndachverbände verzeichnen eine gute Bilanz seit Beginn der Maßnahmen: Die Vereine und Organisationen reagierten schnell mit digitalen Beratungs- und Informationsangeboten zu den eingangs genannten Themen. Um die Eltern zusätzlich zu entlasten organisierten sie daneben online umsetzbare Freizeitangebote, wie beispielsweise Online-Malwettbewerbe oder Vorlesenachmittage.

Und auch die Beratung zu Themenkomplexen, die nicht in die klassische Elternarbeit fallen, kann durch die gute Vernetzung der Dachverbände bewerkstelligt werden. Über dieses Netzwerk können sie schnell und effektiv reagieren und Kontakt- und Beratungsstellen vermitteln, wenn es zum Beispiel um Fragen zu den Themen Kurzarbeit oder Kindernotbetreuung geht.

Die drei Verbände BVRE, FÖTED und Confederación helfen sich auch gegenseitig: "In unserer Zusammenarbeit ist die gegenseitige Unterstützung das A und O. Wir erleben gerade auf allen Ebenen, sowohl bei uns Dachverbänden als auch bei unseren Vereinen, sehr aktive gemeinsame Arbeit. Erfahrungen werden ausgetauscht, neue Formate besprochen und optimiert", sagt Wladimir Weinberg, Bundesgeschäftsführer des BVRE. Alle drei Elternverbände bieten derzeit beispielsweise ihre Multiplikatorenschulungen als Online-Formate an und passen die Inhalte auf die neuen Bedarfe an. Auch spezielle Informationen zu den bundeslandspezifischen Regelungen findet man auf ihren Webseiten.

Online-Angebote werden in Zukunft ausgebaut

Durch die Einschränkungen, die aus den Maßnahmen zur Einschränkung der Virusverbreitung resultieren, entstehen nach Ansicht der Vertreterinnen und Vertreter der drei Elternverbände auch neue Möglichkeiten. Beispielsweise können die Online-Angebote von Eltern genutzt werden, die aus beruflichen Gründen oder aufgrund fehlender Kinderbetreuungsmöglichkeiten bislang nicht an Präsenzveranstaltungen teilnehmen konnten. Diese flexiblen eLearning-Angebote sollen in Zukunft, begleitend zu den Präsenzangeboten, den Zugang für diese Elterngruppen erleichtern und ihnen so die Möglichkeit geben, ihre Kinder im Bildungsbereich noch besser zu unterstützen.

"Daraus ergibt sich eine Chance aus dieser Krise: Die neu etablierten Online-Formate werden wir nach Ende der Einschränkungen weiter ausbauen", fasst Dr. Mehmet Alpbek zusammen. Trotzdem sind sich alle einig: Die Online-Angebote können und dürfen die Vor-Ort-Maßnahmen und -Angebote nicht vollständig ablösen. Sie sind auch in Zukunft als Ergänzung zu den Präsenzveranstaltungen zu verstehen, bei denen sich die Menschen real begegnen und austauschen können.

"Die Erfahrung unserer Multiplikatorinnen und Multiplikatoren mit der von COVID 19 verursachten Krise bestätigen die Grundannahme unseres Elternprojekts, dass in der Elternarbeit die Themen, die behandelt werden, von den Eltern selbst gesetzt werden müssen, ausgehend von ihren eigenen Erlebnissen", betont Carlos Sierra von der Confederación.

Und bei allen Herausforderungen, welche durch die Maßnahmen zur Eindämmung der Verbreitung des Virus entstanden sind, sehen die Vertreterinnen und Vertreter der Elterndachverbände in ihrer täglichen Arbeit, ob online oder offline, vor allem eines: Das ehrenamtliche Engagement, das gerade in Krisenzeiten gesellschaftliche Brücken baut.