Internationaler Tag der Migranten: Stark durch ein Ehrenamt , Datum: 18.12.2019, Format: Meldung, Bereich: Integration

Das Selbstbewusstsein von Jugendlichen durch ehrenamtliches Engagement stärken – das ist das Ziel von MiKaDo ("Junge Migrantinnen und Migranten für Demokratie durch Kulturangebote"), einem vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge geförderten Mentoring-Projekt des Internationalen Bundes Südwest gGmbH in Langen.

Durch das Ehrenamt sollen die Teilnehmenden auch ihre Vorbildfunktion für neu eingewanderte Jugendliche und junge Erwachsene erkennen. Einer von ihnen ist Mahmoud Haji. Mit ihm und der Projektleiterin Anette Heimerl sprach das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge anlässlich des "Internationalen Tags der Migranten" über MiKaDo und die Bedeutung von gemeinwesenorientierten Projekten für gelungene Integrationsprozesse. 

Welche Idee verfolgt das Mentoring-Projekt MiKaDo?

Anette Heimerl: In der Arbeit mit Jugendlichen mit Migrationshintergrund haben wir festgestellt, dass ganz viele von ihnen nicht "gesehen" werden, weil sie eine sehr gelungene Integrationslaufbahn durchlaufen haben – innerhalb kürzester Zeit. Dieser Erfolgsleistung sind sie sich oft gar nicht bewusst. So ist die Idee zu MiKaDo entstanden: Wir wollten Jugendlichen, die selbst geflüchtet sind oder Migrationshintergrund haben, im Rahmen des Projekts die Möglichkeit geben, für die Gemeinde oder andere Jugendliche ehrenamtliche Tätigkeiten zu planen und durchzuführen. Junge Menschen vermitteln ihre Werte und Erfahrungen an andere Jugendliche und Menschen weiter, indem sie Aktionen, wie beispielsweise ein Theaterstück, organisieren. Zu diesen Jugendlichen gehört auch Mahmoud.

Mahmoud Haji: Wir treffen uns einmal im Monat um Aktionen zu planen, weil wir unsere Erfahrungen hier in Deutschland an andere Jugendliche, die neu angekommen sind, weitergeben wollen. Bei MiKaDo lernen wir nicht nur, Mentorinnen und Mentoren zu sein, sondern wir bilden uns auch politisch weiter. Wir waren sogar beim Landtag in Hessen und führen auch regelmäßig Diskussionen mit Politikern.

Vier Frauen und ein Mann stehen im Wald Gemeinsam befreiten die Jugendlichen in der Nähe von Langen ein Waldstück von Müll. Quelle: © Internationaler Bund Südwest gGmbH

Wie finden die Jugendlichen zu MiKaDo?

Anette Heimerl: Oft werden wir über den Jugendmigrationsdienst auf Jugendliche aufmerksam, die sich gerne engagieren möchten. Meistens haben sie am Anfang des Programms noch nicht so viel Selbstvertrauen oder sagen: "Das ist doch gar nichts Besonderes, dass ich den besten Realschulabschluss meiner Klasse gemacht habe" – obwohl sie erst seit zwei Jahren in Deutschland sind. Aber wir zeigen ihnen dann: Nein, das ist etwas sehr Besonderes, dass du dich so angestrengt hast. Und du kannst ein Vorbild für andere Jugendliche sein. So akquirieren wir die Jugendlichen. Eine Teilnehmerin hat uns aber zum Beispiel auch über die BAMF-Website gefunden.

Mahmoud Haji: Bei mir war das eine ganz persönliche Sache. Ich bin mit meinem Bruder geflohen, meine Familie ist immer noch in Syrien. Als ich nach Deutschland kam, waren die ersten Monate sehr schwer für mich. Ich wusste nicht, was ich machen muss, wo ich in die Schule gehen kann, wo in einen Deutschkurs. Dann kamen wir in Kontakt mit einer Frau von einem Wohlfahrtsverband, die sich um Flüchtlinge gekümmert hat. Sie hat meinem Bruder und mir sehr geholfen. Ich bin in die Schule gegangen und dann habe ich mich entschieden: Wenn ich die Chance bekomme, denen, die neu in Deutschland ankommen, Jugendlichen, die nicht wissen, was sie machen sollen, zu helfen: Dann helfe ich denen. Und über MiKaDo habe ich diese Möglichkeit bekommen, denn ich kenne viele Leute, die geflüchtet sind und einen Migrationshintergrund haben. Und ich spreche kurdisch und arabisch. Ich habe also direkten Kontakt zu ihnen und verstehe, was sie wollen und brauchen. Wir bei MiKaDo sind da also näher an den Menschen, weil wir ähnliche Geschichten haben und dieselbe Sprache sprechen.

Warum sind Projekte wie MiKaDo für junge Menschen mit Migrationsgeschichte so wichtig?

Anette Heimerl: Ich finde, dass solche Projekte gefördert werden sollten, weil es so viele Jugendliche gibt, die so viel Potenzial haben, das sehr oft nicht bemerkt wird. Projekte wie MiKaDo geben den Jugendlichen eine Möglichkeit, eine Chance, gesehen zu werden. Sie erkennen dadurch auch, dass sie eine Vorbildfunktion übernehmen können für andere Jugendliche und etwas Besonderes sind. Ich glaube auch, dass es den Jugendlichen in ihrem Integrationsprozess hilft, dass sie sich von der Aufnahmegesellschaft akzeptierter fühlen, durch Zeitungsartikel, durch positive Rückmeldungen, wenn beispielsweise der Stadtrat zu ihrem Theaterstück kommt und sie lobt. Ich glaube, das macht ganz viel mit den Jugendlichen.

Wie kann man ein so breit gefächertes Angebot – vom Theaterworkshop bis hin zu Diskussionsrunden mit Politikerinnen und Politikern – "unter einen Hut" bringen? Wie entwickeln sich die einzelnen Projekte?

Anette Heimerl: Im ersten Projektjahr hatten wir ein Theaterprojekt, dieses Jahr ein Fotografieprojekt und nächstes Jahr machen wir einen kleinen Film. Dementsprechend orientieren wir uns immer an den großen Projekten. Die kleineren Projekte – zum Beispiel gehen wir am Samstag in Langen den Wald säubern – entstehen in unseren monatlichen Sitzungen mit den Mentorinnen und Mentoren. Da fragen die Jugendlichen einfach, was sie machen wollen, was sie zur Zeit beschäftigt. So entstehen dann diese Projekte. Die planen wir dann auch gemeinsam, setzen ein Datum fest und führen sie auch gemeinsam aus. Was mir besonders wichtig bei dem Projekt ist: den Jugendlichen viel Entscheidungsfreiraum zu geben. Das Projekt endet jetzt im Sommer 2020. Und unser Ziel ist es, dass das verstetigt ist und die Jugendlichen sich auch alleine, ohne uns, weiterhin treffen oder Aktionen planen. Das läuft auch ganz gut, weil Mahmoud gerade dabei ist, einen eigenen gemeinnützigen Verein zu gründen, und dann weitermachen möchte.

MiKaDo wurde in der Kategorie Kunst & Kultur für den Jugendengagementpreis nominiert. Was hat es mit diesem Preis auf sich?

Mahmoud Haji: Der Jugendengagementpreis wird hier bei uns im Kreis Offenbach verliehen. Wir wurden gefragt, ob wir uns bewerben möchten, weil wir in sehr engem Kontakt mit dem Kreis Offenbach stehen. Dann haben wir uns als Gruppe zusammengesetzt und die Bewerbung vorbereitet, alles, was wir bisher gemacht haben und alles, was wir vorhaben. Und vor zwei oder drei Wochen haben wir dann einen Brief erhalten, dass wir zu den prämierten Projekten gehören.

Sieben Frauen und ein Mann stehen in einem Raum Nach der Preisverleihung: Am 12. Dezember nahmen die Jugendlichen gemeinsam mit der Projektleitung von MiKaDo den Jugendengagementpreis des Kreises Offenbach entgegen (v.li.n.r.: Sophie Gumbert, Tarek Teshtehbah,Sabrin Ali Said, Siham Alfadhil, Dunya Ali, Fatima Alfadhil, Anette Heimerl, Hanneliese Einloft-Achenbach). Quelle: © Internationaler Bund Südwest gGmbH

Gibt es denn schon konkrete Pläne für künftige Projekte?

Mahmoud Haji: Wir planen noch einen Filmworkshop. Und wir wollen noch einmal ins Altenheim gehen. Das haben wir schon zweimal gemacht, da waren wir im Altenheim in Langen. Und das wollen wir wiederholen.