Weltflüchtlingstag 2018 , Datum: 20.06.2018, Format: Meldung, Bereich: Behörde , Interview mit Dr. Axel Kreienbrink

Der Weltflüchtlingstag wird seit 2001 am 20. Juni eines Jahres begangen. Dieses globale Thema ist sowohl für die Menschen, die in Deutschland leben, als auch für die Menschen, die nach Deutschland kommen, von besonderer Bedeutung. Mit drei Fragen an den Leiter des Forschungsfelds "Internationale Migration und Migrationssteuerung" im Forschungszentrum des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, Dr. Axel Kreienbrink, widmen wir uns dem Weltflüchtlingstag aus der Perspektive der Migrationsforschung:

Flucht und Migration sind geläufige Begriffe, aber wie hängen sie zusammen?

Migration ist ein recht breiter Oberbegriff, den man entlang verschiedener Aspekte differenzieren kann. Menschen verändern den Ort, an dem sie leben, zum Beispiel innerhalb eines Landes - dann wird von Binnenmigration gesprochen. Wenn sie dies über Staatsgrenzen hinweg machen, sprechen wir von internationaler oder grenzüberschreitender Migration. Der zeitliche Faktor kann sich unterscheiden: Es gibt also zeitlich begrenzte Migration, was auch als temporäre Migration bezeichnet wird, und die dauerhafte Migration. Hinsichtlich der Migrationsursache oder dem, was die unmittelbare Entscheidung zu migrieren auslöst, unterscheiden wir zwischen freiwilliger Migration (z.B. Arbeitsmigration, Bildungsmigration oder familiär bedingte Migration) und unfreiwilliger Migration (Flucht und Vertreibung). Bei all diesen Unterscheidungen muss aber gesehen werden, dass sich tatsächliche Migrationen nicht immer ganz eindeutig solchen Kategorisierungen zuordnen lassen. Vielmehr überlappen sich die Formen und nicht selten kann sich die Migration einer Person im Zeitverlauf vom Charakter verändern.

Für den Teilbereich der Migration, den wir unter Flucht verstehen, gibt es ebenfalls verschiedene Definitionen. Am wichtigsten ist hier die der Genfer Flüchtlingskonvention. Ein Flüchtling ist danach eine Person, die sich aufgrund einer begründeten Furcht vor Verfolgung aufgrund ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder aufgrund ihrer politischen Überzeugung außerhalb des Landes der eigenen Staatsangehörigkeit befindet, weil dieses Land keinen Schutz bieten kann oder will. In Deutschland gilt zusätzlich Artikel 16a des Grundgesetzes, wonach politisch verfolgte Ausländer das Recht auf Asyl genießen. Die Rechtsfolgen sind hier mittlerweile bei beiden Regelungen in Deutschland gleich.

Umgangssprachlich werden aber auch Personen als Flüchtlinge bezeichnet, die aufgrund anderer Gründe als der, die in der genannten Flüchtlingskonvention festgelegt sind, migrieren. Hierzu zählen beispielsweise sogenannte Umwelt- oder Klimaflüchtlinge, aber auch Begriffe wie Wirtschafts- oder Armutsflüchtlinge finden zum Teil Verwendung. Daran wird deutlich, dass die in der öffentlichen Diskussion übliche Abgrenzung von Migration, oft verstanden als legale Arbeitsmigration, und Flucht nicht einfach ist. Migration kann sich über einen längeren Zeitraum erstrecken und eine Person kann strecken- und phasenweise fliehen, dann wieder aus wirtschaftlichen Gründen weiter wandern und erneut fliehen. Dabei muss man bedenken, dass verschiedene Migrantengruppen (also Flüchtlinge, Asylsuchende, Wirtschaftsmigranten, unbegleitete Minderjährige, Umweltmigranten, Opfer von Menschenhandel etc.) die gleichen Migrationsrouten und "Migrationshelfer" (z.B. Schleuser, Schlepper) nutzen, um auf teils irregulärem Weg voran zu kommen. Da dies oft schwer zu differenzieren ist, wurde der Begriff der "gemischten Wanderungen" geprägt.

Welche Ursachen sind für Fluchtbewegungen zurzeit besonders relevant?

Letztlich sind es immer wieder gewaltsame Konflikte innerhalb oder zwischen Staaten. Das können Kriege sein, Bürgerkriege oder extremistische Gewalt, die in unterschiedlichem Maß von Konflikten um politische Teilhabe, Diskriminierung, Ressourcenverteilung, -ausbeutung und -nutzung (Land, Wasser, Bodenschätze, etc.) beeinflusst sind. Dazu können sich diese Konflikte entlang ethnischer oder religiöser Trennlinien entzünden. Entsprechend kamen zu den Ende 2017 von UNHCR verzeichneten über 25 Millionen Flüchtlingen und 3,1 Millionen Asylsuchenden weltweit über 40 Millionen "internally displaced persons", also sogenannte Binnenflüchtlinge, innerhalb der Grenzen ihres eigenen Landes hinzu.

Viele der Konflikte aufgrund derer Menschen flüchten, halten seit Jahren an. Das zeigt sich an den wichtigsten Herkunftsländern von Flüchtlingen unter UNHCR-Mandat: in Asien sind das Syrien, Afghanistan und Myanmar; in Afrika der östliche Teil des Kontinents mit Süd-Sudan und Sudan, Somalia, Eritrea und Burundi sowie Zentralafrika mit der Demokratischen Republik Kongo und der Zentralafrikanischen Republik. Daneben sollte aber nicht vergessen werden, dass es auch Fluchtbewegungen auf dem amerikanischen Kontinent gibt. Flohen früher Menschen vor dem Bürgerkrieg aus Kolumbien (wo zudem 7,7 Millionen Menschen Binnenvertriebene sind) in das einstmals prosperierende Venezuela, hat sich diese Migrationsrichtung aufgrund der politischen und wirtschaftlichen Krise in Venezuela nun umgedreht. Auch aus den zentralamerikanischen Staaten steigen die Flüchtlingszahlen an.

Bei den Fluchtursachen schaut man vor allem auf die Herkunftsländer. Aber welche Länder spielen gegenwärtig als Zielländer von Flucht eine Rolle?

Grundsätzlich muss gesagt werden, dass Flucht überwiegend regional stattfindet, das heißt, dass flüchtende Menschen Zuflucht in der Nähe ihrer Herkunftsländer suchen. Entsprechend sind die Staaten, die die meisten Flüchtlinge laut UNHCR aufgenommen haben, wie die Türkei, der Libanon und Jordanien, ein Ziel für Flüchtlinge aus Syrien, während Pakistan und der Iran die wichtigsten Aufnahmeländer für Flüchtlinge aus Afghanistan sind. Flüchtlinge aus Myanmar befinden sich vor allem in Bangladesh.

Der überwiegende Teil afrikanischer Flüchtlinge befindet sich in anderen afrikanischen Staaten wie Uganda, Sudan, Äthiopien, Kenia und der Demokratischen Republik Kongo. An außerafrikanischen Zufluchtsstaaten spielte für afrikanische Flüchtlinge bis zum Ausbruch des Konflikts dort der Jemen eine wichtige Rolle, gefolgt von Italien, Frankreich und den USA. Weltweit steht Deutschland hinsichtlich der Flüchtlingsaufnahme an sechster Stelle.

Die USA haben Deutschland als Land mit den meisten Antragstellern 2017 abgelöst. 331.700 Anträge wurden dort registriert, zu einem großen Anteil aus Zentralamerika. In der Europäischen Union war Deutschland mit knapp 200.000 Anträgen das wichtigste Zielland, gefolgt von Italien und Frankreich.