Dossier: Reintegration in Kosovo , Datum: 20.09.2017, Format: Dossier, Bereich: Rückkehr , Reintegrationsprojekt

Enge Zusammenarbeit mit allen Akteuren , Datum: 20.09.2017, Format: Meldung, Bereich: Rückkehr , Kooperationen in Kosovo

Das Projekt URA bewegt sich in Kosovo in einem Umfeld von verschiedenen Partnern und Akteuren. Alle gemeinsam verfolgen das Ziel, die Rückkehrenden bei der Reintegration in Kosovo zu unterstützen. Die einzelnen Partner bieten unterschiedliche Maßnahmen an. Dazu gehören finanzielle Hilfen und erste Unterbringung im Rahmen des kosovarischen Reintegrationsprogramms, Beratung, Ausbildung und Arbeitsvermittlung unter anderem durch die Arbeiterwohlfahrt (AWO) Nürnberg in Pristina und Prizren oder die Angebote der Diakonie Kosova in Mitrovica.

Kosovarisches Reintegrationsprogramm

Die Zusammenarbeit zwischen URA, den Verbindungsbeamten des Bundesamtes in der Botschaft und dem kosovarischen Innenministerium ist eng und alltagsorientiert.

Das kosovarische Reception-Office: Erste Kontakte

Am Flughafen arbeiten die URA-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die die Rückkehrenden in Empfang nehmen und auf ihr Angebot aufmerksam machen, eng mit den zuständigen Stellen des kosovarischen Innennministeriums zusammen.

Das Reintegrationsprogramm des kosovarischen Innenministeriums besteht seit 2010 und umfasst Unterstützungsleistungen und kostenlose Medikamente für ein Jahr. Unterstützt werden Rückkehrende, die Kosovo vor dem 28. Juli 2010 verlassen haben. Zur Vermeidung von Doppelförderung werden Hilfeleistungen mit den zuständigen Behörden auf kommunaler und ministerialer Ebene abgestimmt. Wohnungen werden von der zuständigen Behörde gestellt. Die Rückkehrenden können sich direkt am Flughafen im Reception-Office des kosovarischen Innenministeriums melden und registrieren lassen. Das Ministerium hilft zum Beispiel beim Transport vom Flughafen in die Herkunftsgemeinde oder zur ersten Unterkunft. In Pristina hält das Shelter des kosovarischen Staates Betten und Zimmer für die ersten sieben Tage bereit, bis die zuständigen Gemeinden eine erste, meist vorübergehende Unterkunft organisiert hat.

Sollte es bei der Einreise oder der Registrierung Probleme geben oder die Zuständigkeiten nicht geregelt sein, hilft auch der Verbindungsbeamte des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge an der deutschen Botschaft in Pristina. Dafür ist er bei der Ankunft von Rückführungsfliegern auch stets vor Ort. Ziel ist es auch hier, den zurückgeführten Personen die Rückkehr so human wie möglich zu machen. Gemeinsam suchen die staatlichen Stellen des Landes Kosovo mit den URA-Kolleginnen und -Kollegen Lösungen.

Das Shelter: Erste Unterkunft

Das kosovarische Innenministerium betreibt eine Aufnahmeeinrichtung in Pristina. In dem sogenannten Shelter kommen Rückkehrende unter, die vorerst keine Wohnung haben und nicht bei Verwandten wohnen können. Auch Menschen, die sich bei URA melden und für die nicht schnell eine Lösung gefunden werden kann, finden hier für sieben Tage eine Aufnahme.

Afri Mehmeti ist Herbergsvater und Ansprechpartner zugleich. Als Leiter des Shelters in Pristina kümmert er sich um die Aufnahme von Rückkehrenden und versucht ihnen für die Zeit ihres Aufenthaltes ein möglichst familiäres Gefühl zu vermitteln. Dafür lernt er sogar Deutsch, da viele Rückkehrer sehr lange in Deutschland gelebt haben. "Damit ich gut schlafen kann, muss ich wissen, dass alles hier gut ist", sagt Afri Mehmeti.
Die Einrichtung kann bis zu 30 Personen aufnehmen und ist zweckmäßig wie eine Jugendherberge mit einer Gemeinschaftsküche und Waschraum sowie Stockbetten in Mehrbettzimmern. Das Zimmer mit fließendem Wasser ist für Frauen mit Kindern reserviert.
Von ca. 5.800 zwangsweise rückgeführten Personen hat das Shelter 2016 insgesamt 800 Menschen Unterkunft gewährt. Ende März 2017 ist die Unterkunft kaum belegt.

"Ohne URA und AWO würden 90 Prozent auf der Straße landen"

Die Arbeiterwohlfahrt Nürnberg ergänzt in Kosovo das Projekt URA: Beide Projekte arbeiten mit den Rückkehrenden an deren Zukunft.

Haustür an Haustür arbeiten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der AWO Nürnberg und des Projektes URA in Pristina. Gemeinsam mit dem Bundesamt hat die AWO Nürnberg 2007 das Projekt URA gestartet, seit 2010 berät die AWO Nürnberg Rückkehrende in Kosovo beim Wiedereinstieg durch Sozialberatung, Arbeitsvermittlung und psychologische Betreuung in einem eigenen Projekt mit ähnlichen Strukturen und Fachkräften für jedes Thema. URA und AWO ergänzen sich in ihrer Arbeit. Die AWO berät die Menschen, die aus den sieben Bundesländern kommen, die URA nicht unterstützen. Durch die enge Vernetzung der Akteure mit den Beratungsstellen in Deutschland wissen die Mitarbeitenden meist vor der Rückkehr, wer kommt und welche Bedürfnisse die Rückkehrenden haben.

So verhindern die beiden Programme vor Ort, dass Doppelförderungen entstehen. Gemeinsam fangen URA und AWO Nürnberg das auf, was der kosovarische Staat nicht vermag. Denn die "staatliche Seite hat keine Zeit für soziale Beratung, für Gespräche oder psychologische Betreuung", erklärt der langjährige AWO-Projektleiter Nezir Kolgeci. Die Beratenden nehmen sich diese Zeit für Gespräche, soziale und psychologische Beratung. Kolgeci gibt sich überzeugt: "Ohne URA und AWO würden 90 Prozent der Rückkehrenden auf der Straße landen." Die Beraterinnen und Berater suchen "Lösungen im Sinne der Rückkehrenden." Seit kurzem bietet die AWO auch Sprachnachhilfe für Kinder an, die nach vielen Jahren in Deutschland Albanisch lernen müssen.

Diakonie Kosova: Wege zurück und zueinander finden

Mit der Diakonie Kosova kümmert sich die rheinische Landeskirche seit Kriegsende um Ausbildung, Traumatherapie und um Jugendarbeit in Kosovo. URA vermittelt einige der Rückkehrenden in das Ausbildungszentrum der Diakonie Kosova. Im Ausbildungszentrum begleiten Bernd Baumgarten und sein Team seit 1998 kosovarische Staatsangehörige. In den letzten Jahren kommen zur Diakonie Kosova vermehrt auch Menschen, die aus anderen Ländern nach Mitrovica zurückkehren. Sie können bei der Diakonie einen Beruf lernen, in dem sie oft bereits Erfahrungen haben.

Heizungsbau, Trockenbau, Elektrik, Friseur oder Schneider sind die etablierten Handwerksberufe für die die Diakonie in Mitrovica ausbildet. Für diese Berufe besteht in Kosovo Bedarf. "Damit bieten wir den Leuten eine reelle Chance, in den Arbeitsmarkt zu kommen", erklärt Baumgarten. Oft haben die Rückkehrenden in Deutschland bereits in diesen Berufsfeldern gearbeitet und bringen Vorkenntnisse mit. Mit dem in der Diakonie erlangten Zertifikat oder Meisterbrief können sie sich dann in Kosovo bewerben oder ein eigenes Unternehmen aufbauen. "Bei den Deutschen zu lernen ist ein Qualitätsmerkmal in Kosovo. Auf zehn Ausbildungsplätze kommen 58 Bewerberinnen und Bewerber", so Baumgarten. Für Rückkehrende bietet das Zentrum zusätzliche Angebote wie Sprachkurse. Für die Kinderbetreuung während der Ausbildung steht eigens ein Kindergarten auf dem Gelände zur Verfügung, denn die Weiterbildung von Frauen ist eines der zentralen Anliegen.

Qualifizierung ist nicht das einzige Ziel der Diakonie Kosova. Ein Jugendzentrum, das die Diakonie neu und direkt an der Grenze zum serbischen Teil der geteilten Stadt Mitrovica gebaut hat, ist Anlaufstelle für alle Jugendlichen – egal welcher Religion oder Ethnie sie angehören – für Albaner, Serben, Bosnier und Roma. Jeder kann sein Talent hier einbringen. Die Angebote des Jugendzentrums sind darauf ausgerichtet, den Jugendlichen Selbstwert zu vermitteln und das Miteinander zu gestalten. Die Jugendlichen selbst haben eine multiethnische Tanzgruppe gegründet, in der sie eigene Choreografien gemeinsam einstudieren. In anderen Kursen lernen sie, wie ein DJ arbeitet oder wie sie ein Video produzieren können. Das Hochzeitsgewerbe ist in Kosovo groß, die Kenntnisse aus den Kursen sind eine Einstiegsmöglichkeit in den Beruf für die Jugendlichen. Die Diakonie gibt ihnen Raum, den respektvollen Umgang miteinander abseits von Nationalismen zu erleben und auch in einem zerrissenen Land, das sich im Aufbau befindet, zueinander zu finden und an einer gemeinsamen Zukunft zu arbeiten.

Die Diakonie Kosova ist ein Projekt der rheinischen Landeskirche und wird über Spendengelder finanziert.

(lt)

Blätterfunktion

Inhalt

  1. Eine Brücke zurück in die Zukunft
  2. Ankunft am Flughafen
  3. Die Brückenbauer
  4. Vor Ort: Ein Tag im Feld
  5. "Meine Klienten sind Helden"
  6. URA ist ein Projekt, das lebt.
  7. Enge Zusammenarbeit mit allen Akteuren