Dossier: Reintegration in Kosovo , Datum: 20.09.2017, Format: Dossier, Bereich: Rückkehr , Reintegrationsprojekt

"Meine Klienten sind Helden" , Datum: 20.09.2017, Format: Meldung, Bereich: Rückkehr

Naim Basha ist Trauma-Psychologe und hilft Rückkehrenden, die nach der Ankunft in Kosovo mit alten aufbrechenden Ängsten konfrontiert werden.

"Was ist passiert?", ist die erste Frage, die Trauma-Psychologe Naim Basha seinen Klienten stellt. Basha ist einer der wenigen auf Traumatisierungen spezialisierten Fachkräfte in seinem Heimatland und arbeitet für das URA-Zentrum in Pristina. Was ist dort seine Aufgabe?

Um die genauer zu beschreiben, berichtet Basha von einer Rückkehrerin, die nach langem Aufenthalt in Deutschland zurück nach Kosovo kehrt. Die viermalige Mutter hatte in den 90er-Jahren ihre Heimat als Bürgerkriegsflüchtling verlassen. Nach ihrer Rückkehr stand sie vor großen Herausforderungen: Während des Kosovo-Krieges hatte diese Klientin offenbar in ihrem eigenen Haus in der Nähe von Pristina etwas so Traumatisches erlebt, dass sie auch Jahre später, nach ihrer Rückkehr aus Deutschland, das eigene Haus nicht mehr betreten konnte. Die Familie und damit auch die vier Kinder waren durch die Situation von Obdachlosigkeit bedroht. Und das, obwohl es auf dem Papier für die Rückkehrenden vergleichsweise gut aussah: Anders als bei vielen anderen Menschen, die zurück nach Kosovo kehren, befand sich das Haus der Familie trotz längerer Abwesenheit noch in ihrem Besitz und war bewohnbar. "Aber meine Klientin bekam Angstzustände und Flashbacks, sobald sie nur in die Nähe des Ortes kam. Die Leute konnten ihr Haus nicht als Wohnstatt nutzen", erklärt Naim Basha. Am Ende einer aufreibenden, mehrmonatigen Behandlung haben der Trauma-Psychologe und die viermalige Mutter einen Umgang mit der Situation gefunden – die Familie lebt mittlerweile in ihrem alten Heim. Auch die Versorgung ihrer Kinder kann die Frau wieder übernehmen und ihren Alltag bewältigen.

Die Geschichte illustriert, warum die individuelle soziale Beratung und die Trauma-Therapie durch URA ein so wichtiger Pfeiler neben der Arbeits- und Berufsberatung ist. Sie ist in manchen Fällen die Voraussetzung für die finanzielle Eigenständigkeit der URA-Klienten, von denen im Rahmen des Programmes erwartet wird, dass sie sich proaktiv um ihre Reintegration bemühen. Doch wer in der ohnehin schwierigen Situation der Rückkehr emotional überfordert ist, kann sich nicht auf eine Existenzgründung oder einen beruflichen Neustart konzentrieren. Wie im Falle der durch den Bürgerkrieg traumatisierten Rückkehrerin erwachsen aus emotionalen nicht selten auch finanzielle Probleme: Weil die Familie in dem von Naim Basha geschilderten Fall Wohneigentum besaß, hatte sie keinen Anspruch auf staatliche Unterstützung. Hier fängt URA die Rückkehrenden auch emotional auf.

Denn den Rückkehrenden, die durch die Vermittlung der anderen URA-Beraterinnen und -Berater in Naim Bashas Büro sitzen, helfen die pragmatischen Hilfestellungen allein nicht weiter. Bashas Gegenüber stehen vor Herausforderungen bei der Reintegration, für die es keine Lösungen von außen gibt, sondern allein von innen, aus sich heraus: "In der Trauma-Therapie geht es darum, den Klientinnen und Klienten neben der externen Sicherheit auch interne Sicherheit zu geben", erläutert der Trauma-Psychologe. Erschwerend komme hinzu, dass es in weiten Teilen der kosovarischen Gesellschaft bisher kein ausgeprägtes Bewusstsein für Krankheiten der Seele gebe.

Naim Basha selbst hat seinen Beruf im Ausland gelernt. Unter anderem hat er am renommierten Zentrum für Trauma-Psychologie und Trauma-Therapie Niedersachsen (ZPTN) studiert. Er hat mehrere Lehrgänge bei dessen anerkannten Trauma-Spezialisten und Gründer Lutz Besser belegt und arbeitet unter anderem mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus Israel zusammen. Auch wenn seine Klienten seiner Arbeit einen grundlegenden Schritt in eine selbstbestimmte Zukunft verdanken, stellt Naim Basha klar: "Letzen Endes bin nicht ich es, der erfolgreich ist. Es sind meine Klientinnen und Klienten. Sie sind Helden."

(te)

Blätterfunktion

Inhalt

  1. Eine Brücke zurück in die Zukunft
  2. Ankunft am Flughafen
  3. Die Brückenbauer
  4. Vor Ort: Ein Tag im Feld
  5. "Meine Klienten sind Helden"
  6. URA ist ein Projekt, das lebt.
  7. Enge Zusammenarbeit mit allen Akteuren