Binnenmobilität von Geflüchteten mit Schutzstatus in Deutschland , , Eine explorative Analyse auf Basis des Ausländerzentralregisters
Quelle: BAMF
Der Wohnort und die dortigen sozialen, ökonomischen und demografischen Gegebenheiten haben einen großen Einfluss auf die individuelle Lebensqualität und die gesellschaftliche Teilhabe aller Menschen. Im Vergleich zu anderen Bevölkerungsgruppen, die ihren Wohnort in Deutschland frei wählen können, stellt die Wohnortwahl von Geflüchteten eine Besonderheit dar. Diese wird bis zu drei Jahre nach Erteilung eines Schutzstatus gesetzlich reguliert.
Erkenntnisse über die Wohnortwahl und Binnenmobilität von schutzberechtigten Geflüchteten gibt es bislang kaum. Das Forschungszentrum des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) hat diese Erkenntnislücke reduziert, indem einerseits die grundsätzliche Machbarkeit solcher Analysen auf Basis des Ausländerzentralregisters (AZR) geprüft und andererseits erste Erkenntnisse über die Binnenwanderungen von Geflüchteten gesammelt wurden.
Im Rahmen der Studie wurden Umzüge von volljährigen Geflüchteten, die in den Jahren 2015 bis 2019 erstmalig nach Deutschland eingereist sind und einen befristeten Aufenthaltstitel aus humanitären Gründen erhalten haben, über Kreisgrenzen hinweg bundesweit untersucht. Der Analysezeitraum erstreckte sich dabei bis Ende 2020.
Die wichtigsten Ergebnisse auf einen Blick
Das AZR enthält umfassende Informationen zur Wanderungsbiografie von Geflüchteten, die eine Analyse der Binnenmobilität ermöglichen
Im Rahmen des Projekts erwies sich das AZR als geeignete Längsschnittdatenquelle für Auswertungen zur Binnenmobilität von Geflüchteten. Vor allem die hohe Zahl der erfassten Personen und der im AZR enthaltenen Informationen zu deren Wanderungsbiografien sowie weiteren individuellen Merkmalen ermöglichten tiefergehende Auswertungen.
Geflüchtete mit Schutzstatus sind vor allem zu Beginn ihres Aufenthaltes in Deutschland vergleichsweise mobil
Bei den Analysen zeigte sich, dass die Binnenmobilität der Geflüchteten mit Schutzstatus sich teilweise von der von Personen mit deutscher Staatsangehörigkeit unterscheidet. So gibt es vor allem zu Beginn des Aufenthalts eine vergleichsweise hohe Anzahl an Binnenwanderungen. Dies ist jedoch vermutlich weniger das Resultat einer besonders ausgeprägten individuellen Mobilitätsbereitschaft der Geflüchteten, sondern vielmehr auf die rechtlichen Regularien sowie die häufige Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften zu Beginn des Aufenthaltes in Deutschland zurückzuführen.
Mobilitätsbereitschaft sinkt mit zunehmendem Alter und entspricht damit Mobilitätsmustern der deutschen Bevölkerung
Wie aus der Forschung bereits bekannt, nimmt den Analysen zufolge die Mobilität mit zunehmendem Alter ab und ledige Geflüchtete mit Schutzstatus ziehen häufiger um als verheiratete. Zudem sind männliche Geflüchtete tendenziell mobiler als weibliche, wenn auch dieser geschlechtsspezifische Unterschied sich mit zunehmendem Alter reduziert. Eine besonders geringe Mobilität konnte bei verheirateten geflüchteten Frauen im Alter zwischen 30 und 49 Jahren festgestellt werden.
Städtische Kreise haben eine hohe Attraktivität als Wohnort für Geflüchtete, trotz relativ hoher Arbeitslosigkeit
Sowohl bei der räumlichen Verteilung als auch bei den Wanderungen wird zudem deutlich, dass städtische Kreise für Geflüchtete mit Schutzstatus eine höhere Attraktivität als Wohnort haben als ländliche Regionen. Es konnte zudem beobachtet werden, dass Geflüchtete mit Schutzstatus häufiger in Kreisen mit einer vergleichsweise hohen Arbeitslosigkeit wohnen bzw. in diese ziehen. Diese beiden Ergebnisse sind kein Widerspruch, sondern ergänzen sich vielmehr, da (Groß-)Städte vorwiegend zu den Kreisen zählen, in denen eine überdurchschnittlich hohe Arbeitslosenquote vorherrscht.
Das Ausländerzentralregister als Forschungsdatensatz
Seit August 2021 können Forschungseinrichtungen Daten aus dem AZR für Forschungszwecke über das BAMF-Forschungsdatenzentrum (BAMF-FDZ) erhalten. Das Datenangebot umfasst unter anderem den "AZR-Forschungsdatensatz 2021", eine 20-prozentige Zufallsstichprobe aus dem Gesamtdatenbestand des AZR. Dieser enthält Daten zu volljährigen Drittstaatsangehörigen (keine EU-Bürgerinnen und EU-Bürger), die sich nicht nur vorübergehend in Deutschland aufhalten oder aufgehalten haben. Der "AZR-Forschungsdatensatz 2021" ist faktisch anonymisiert und der Zugang erfolgt über Gastwissenschaftsarbeitsplätze. Weiterhin können personenbezogene Adressdaten inkl. erforderlicher Strukturmerkmale für die Durchführung von wissenschaftlichen Befragungen genutzt werden.
Der Forschungsbericht wurde verfasst von: Johannes Weber