Unerlaubter Aufenthalt in Deutschland: Perspektiven, Maßnahmen und Herausforderungen , , Studie der deutschen nationalen Kontaktstelle für das Europäische Migrationsnetzwerk
Quelle: BAMF (Coverbild: stock.adobe.com | Travel Wild, Zangrilli Andrea)
Im Fokus der EMN-Studie stehen unerlaubt aufhältige Personen in Deutschland, ihre Rechtsstellung sowie die Maßnahmen zur Beendigung des unerlaubten Aufenthaltes.
Die Frage nach dem Umgang mit in Deutschland unerlaubt aufhältigen Personen gewann im Zuge der starken Zunahme der Asylantragszahlen seit 2015 an politischer Bedeutung und ist bis heute relevant. Effektive Rückführungen versus Möglichkeiten der Integration von unerlaubt aufhältigen Personen stehen im Zentrum von Debatten um die Durchsetzung der Ausreisepflicht.
Rechtsstellung unerlaubt aufhältiger Personen in Deutschland
Um zu vermeiden, dass sich Menschen jahrelang in einer aufenthaltsrechtlichen Grauzone befinden, verlangt die EU-Rückführungsrichtlinie von den EU-Mitgliedstaaten Maßnahmen zur Durchsetzung der vollziehbaren Ausreisepflicht durch eine freiwillige Rückkehr oder Rückführung. Wenn eine Rückführung nicht möglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis gewährt wird, erteilen Ausländerbehörden in Deutschland eine sogenannte Duldung. Am 31. Dezember 2020 besaßen rund 236.000 Personen eine Duldung, wobei mehr als die Hälfte seit über drei Jahren in Deutschland lebte.
Neben Personen, die aufgrund einer Duldung zwar nicht rechtmäßig aufhältig sind, jedoch weiterhin im Kontakt zu Behörden stehen, halten sich in Deutschland auch Personen ohne Behördenkontakt unerlaubt auf.
Soziale Rechte von unerlaubt aufhältigen Personen
Insgesamt lässt sich eine zunehmende Ausdifferenzierung des Rechts bezüglich der Duldung sowie der Zugänge von unerlaubt aufhältigen Personen zu sozialstaatlichen Leistungen, zum Arbeitsmarkt und zu anderen Rechten und Ansprüchen beobachten. Unerlaubt aufhältige Personen mit Behördenkontakt, die zur Kooperation mit Behörden bereit sind und deren Ausreise trotzdem nicht realisierbar ist, haben verschiedene wohlfahrtsstaatliche Ansprüche. Für unerlaubt aufhältige Personen ohne Behördenkontakt sind die Teilhabemöglichkeiten am stärksten begrenzt.
Beendigung des unerlaubten Aufenthaltes: Rückkehr
Um die Zahl unerlaubt aufhältiger Personen zu reduzieren, wurden in den letzten Jahren verschiedene Maßnahmen implementiert, die darauf abzielen, die Rückkehrzahlen vollziehbar ausreisepflichtiger Personen zu erhöhen. Insbesondere im Falle der Verletzung der gesetzlich vorgeschriebenen Mitwirkungspflichten bei der Identitätsklärung werden Sanktionen (eingeschränkte Bewegungsfreiheit, kein Zugang zum Arbeitsmarkt, eingeschränkte Sozialleistungen) angewendet. Eine wissenschaftliche Evaluierung der Wirksamkeit dieser Maßnahmen ist bisher nicht erfolgt.
Beendigung des unerlaubten Aufenthaltes: Aufenthaltserlaubnis
Die Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen ist ein weiterer Ansatz zur Reduzierung der Anzahl unerlaubt aufhältiger Personen. So können betroffene Personen unter bestimmten Voraussetzungen einen Aufenthaltstitel erhalten, beispielsweise durch das Erbringen besonderer Integrationsleistungen. Da diese Möglichkeiten in der Regel eine Duldung voraussetzen, kommen sie für Personen ohne Behördenkontakt grundsätzlich nicht in Betracht. Mit dem sogenannten Chancenaufenthaltsrecht will die Bundesregierung langzeitgeduldeten Personen weitere Optionen eröffnen, einen rechtmäßigen Aufenthalt zu erlangen.
Herausforderungen beim Umgang mit unerlaubtem Aufenthalt
Die zentrale politisch-rechtliche Herausforderung ist, eine Balance zwischen den verschiedenen Maßnahmen zu finden, die einerseits Fehlanreize verhindert. Andererseits ist eine langfristige Exklusion unerlaubt aufhältiger Personen finanziell kostspielig und aufgrund möglicher Desintegrationserscheinungen wie Kriminalität, Obdachlosigkeit und Langzeitarbeitslosigkeit auch für die Allgemeinheit wenig erstrebenswert. Vor diesem Hintergrund bleibt der Umgang mit unerlaubtem Aufenthalt eine zentrale migrationspolitische Diskussion. Er wird sowohl in den politischen Parteien, aber auch beim Bund, bei den Ländern und Kommunen immer wieder politisch neu bewertet.
Parallel zur nationalen Studie informieren die Vergleichspublikationen des EMN zum Thema und werfen einen EU-weit vergleichenden Blick auf den Umgang mit dem unerlaubten Aufenthalt in den einzelnen EU-Mitgliedsstaaten: der ausführliche EMN-Synthesebericht, das kompakte EMN-Inform sowie der einseitige EMN-Flash (siehe "Downloads" unter "Weitere Informationen").
Die Studie wurde verfasst von: Friederike Haberstroh, Dr. Axel Kreienbrink und Claudia Lechner