Reisen von Schutzberechtigten in ihr Herkunftsland ,
Quelle: BAMF
Die Studie beschreibt individuelle Beweggründe von Schutzberechtigten für Reisen in ihr Herkunftsland, den internationalen und nationalen Rechtsrahmen sowie die behördlichen Meldewege und das anlassbezogene Widerrufsverfahren.
Auslandsreisen und Reisen in das Herkunftsland
Auslandsreisen und Reisen von Schutzberechtigten in ihre Herkunftsländer sind in den vergangenen Jahren wiederholt kontrovers diskutiert worden. Hintergrund ist die Frage, inwiefern Reisen in das Herkunftsland zum Verlust des Schutzes führen, den das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge den Personen im Rahmen ihres Asylverfahrens erteilt hat. Schutzberechtigte haben grundsätzlich das Recht auf Bewegungsfreiheit, wie sie auch anderen Drittstaatsangehörigen zusteht, die sich legal im Land aufhalten. Dies schließt Reisen ins Ausland mit ein. Anders verhält es sich mit Reisen in das Herkunftsland. Diese sind nur unter spezifischen Voraussetzungen erlaubt bzw. können unter bestimmten Voraussetzungen zum Widerruf des Schutz- und Aufenthaltsstatus führen.
Beweggründe für eine Reise in das Herkunftsland
Die individuellen Gründe für eine Reise in das Herkunftsland sind vielfältig und umfassen unter anderem Krankheits- und Sterbefälle von Familienangehörigen, Notlagen von Angehörigen oder Bekannten, die Eheschließung oder Scheidung, die Klärung erbrechtlicher oder sonstiger persönlicher und geschäftlicher Angelegenheiten, "Heimweh" oder die lange Trennung von Angehörigen und mitunter auch "Freizeitzwecke". Ein Teil dieser Gründe für eine Reise ins Herkunftsland ist mit dem Status als Schutzberechtigter vereinbar, andere jedoch nicht. Aus der Auflistung der individuellen Beweggründe lassen sich dabei allerdings nicht automatisch Schlüsse hinsichtlich eines Widerrufsgrundes ziehen. In jedem Einzelfall prüft das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge im Rahmen einer so genannten Widerrufsprüfung, ob die Reise ins Herkunftsland zum Widerruf der Schutzberechtigung führt.
Internationaler, europäischer und nationaler Rechtsrahmen
Bereits den Beendigungsklauseln der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) liegt die Überlegung zugrunde, "dass internationaler Schutz nicht mehr gewährt werden sollte, wo er nicht mehr erforderlich oder nicht mehr gerechtfertigt ist" (UNHCR 2011: 27). Dies trifft unter anderem auf eine Person mit Flüchtlingsanerkennung zu, die sich freiwillig erneut unter den Schutz des Landes, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt, stellt oder die sich freiwillig wieder in dem Land niederlässt, das sie aus Furcht vor Verfolgung verlassen hat. Die Vorgaben der GFK sind sowohl in europäisches Recht (Qualifikationsrichtlinie RL 2011/95/EU und Asylverfahrensrichtlinie RL 2013/32/EU) übernommen als auch in nationalem Recht unter den sogenannten Erlöschensgründen im Asylgesetz aufgeführt (§ 72 AsylG).
Bis Juli 2015 konnte in den Fällen von Reisen in das Herkunftsland oder dem Kontakt zu Behörden des Herkunftslandes auch noch ein Erlöschen des Schutzstatus in Frage kommen, was in der Verantwortung der Ausländerbehörden lag und eine automatische Aufhebung des Schutzstatus kraft Gesetzes bedeutete. Seit im Juli 2015 die europäische Asylverfahrensrichtlinie für nationales Recht bindend geworden ist, ist in den Fällen von Reisen in das Herkunftsland oder Kontakt zu Behörden des Herkunftslandes aber eine Widerrufsprüfung durchzuführen (§§ 73ff AsylG).
Voraussetzungen für einen Widerruf des Schutzstatus
Meist ist es die Bundespolizei, die bei der Passkontrolle am Flughafen Hinweise auf eine Reise in das Herkunftsland von Personen erhält, denen Schutz in Deutschland gewährt wurde. Aber auch Ausländerbehörden, Jobcenter und Arbeitsagenturen oder sonstige Behörden erhalten mitunter Kenntnis über solche Reisen oder Kontakt zu Behörden des Herkunftslandes. Die nationalen Behörden sind verpflichtet, das BAMF über ihre Kenntnisse zu informieren.
Zur Prüfung der Voraussetzungen für einen Widerruf des Schutzstatus leitet das BAMF in der Regel ein Widerrufsverfahren ein. Im Falle einer Reise in das Herkunftsland eines Schutzberechtigten oder eines Kontakts mit Behörden des Herkunftslandes handelt es sich um eine sogenannte anlassbezogene Widerrufsprüfung, im Gegensatz zu Regelwiderrufsverfahren bei Schutzberechtigten.
Bei der Prüfung von Widerrufsgründen im Falle von Reisen in das Herkunftsland berücksichtigt das BAMF zunächst drei grundsätzliche Voraussetzungen:
- die Frage nach der Freiwilligkeit der Reise,
- nach der Absicht und
- der tatsächlichen erneuten Inanspruchnahme des Schutzes des Herkunftsstaates.
Zu diesen Prüfkriterien gehören unter anderem die Dauer der Reise, der Anlass, die Art der Einreise sowie der Ort des Aufenthaltes.
Die Studie beschreibt zudem die einzelnen Verfahrensschritte im Widerrufsverfahren, die Mitwirkungspflichten der schutzberechtigten Person sowie mögliche aufenthaltsrechtliche Folgen, wenn der Schutzstatus widerrufen wird.
Infografik und EMN-Vergleichspublikationen zum Thema
Eine für diese Studie gefertigte Infografik gibt einen Überblick über die einzelnen Phasen von der Aus- und Wiedereinreise, die individuellen Beweggründe für eine Reise in das Herkunftsland, über das Bekanntwerden der Reise bei einer Behörde und die anschließenden Meldewege sowie die behördlichen Prüfkriterien und Mitwirkungspflichten im Widerrufsverfahren, bis hin zu den möglichen aufenthaltsrechtlichen Konsequenzen. Die Infografik kann gesondert heruntergeladen werden (siehe rechte Spalte) und findet sich zudem auf den Seiten 40/41 der Studie.
Das Working Paper 84 ist im Rahmen des Europäischen Migrationsnetzwerkes (EMN) bearbeitet worden und wird parallel in zahlreichen weiteren EU-Mitgliedstaaten und Norwegen erstellt. Sowohl die einzelnen nationalen Studien werden in Kürze veröffentlicht als auch die Vergleichspublikationen des EMN zum Thema: der ausführliche EMN-Synthesebericht, das kompakte EMN-Inform sowie das einseitige EMN-Flash, die nach ihrer Veröffentlichung auch auf dieser Seite abrufbar sein werden.
Die Studie wurde nach ihrer Erstveröffentlichung überarbeitet und liegt nun in ihrer überarbeiteten Fassung vor (Stand 06.03.2019).
Verfasser der Studie: Janne Grote