Unbegleitete Minderjährige in Deutschland ,
Quelle: BAMF
Mit der hohen Anzahl an Geflüchteten in den Jahren 2015 und 2016 kam auch eine Vielzahl unbegleiteter Kinder und Jugendlicher nach Deutschland. Dies brachte eine Reihe an Herausforderungen sowohl für die jungen Geflüchteten selbst als auch für die zuständigen Behörden, Organisationen, Schulen und Betriebe mit sich. Die EMN-Studie beleuchtet, wie die verschiedenen Lebensbereiche unbegleiteter Minderjähriger in Deutschland gesetzlich geregelt sind und wie sich das auf ihre Lebensumstände auswirkt. Im Mittelpunkt stehen dabei die Bereiche Inobhutnahme, Unterbringung, Versorgung und Betreuung, Integration in Schule und Ausbildung sowie Fragen der Rückkehr, des Verschwindens und der Familienzusammenführung. Ebenso werden die wichtigsten statistischen Erkenntnisse zu unbegleiteten Minderjährigen präsentiert.
Prinzipiell steht im Umgang mit unbegleiteten Minderjährigen stets das Kindeswohl an erster Stelle. Die Unterbringung, Versorgung und Betreuung der unbegleiteten Minderjährigen verläuft daher größtenteils unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus. Nichtsdestotrotz spielt dieser eine große Rolle, etwa bei der Integration in den Arbeitsmarkt oder für die Möglichkeiten der Familienzusammenführung oder des Familiennachzugs. Mit der Volljährigkeit sind Unterbringung und Integration dann wesentlich vom aufenthaltsrechtlichen Status geprägt.
Unterbringung, Versorgung, Betreuung
Unbegleitete Minderjährige, die nach Deutschland einreisen, werden wie andere Kinder und Jugendliche auch im Rahmen der Kinder- und Jugendhilfe untergebracht, versorgt und betreut. Bei der Einreise beginnt eine mehrstufige Inobhutnahme:
Die vorläufige Inobhutnahme durch das Jugendamt ist nur kurzfristig. In dieser Zeit wird entschieden, ob der oder die Minderjährige nach einem bundesweiten Schlüssel verteilt wird oder am Ort der vorläufigen Inobhutnahme verbleibt.
Während der regulären Inobhutnahme wird die Unterbringung und die Situation der Minderjährigen in einem sog. Clearingverfahren geklärt und der Jugendhilfebedarf ermittelt. Außerdem wird ein Vormund bestellt.
In Anschlussmaßnahmen werden die Kinder und Jugendliche ihren speziellen Bedürfnissen entsprechend untergebracht und betreut. Die Unterbringung kann dabei in Wohnheimen oder -gruppen für Minderjährige erfolgen oder in auf unbegleitete Minderjährige spezialisierte Einrichtungen. Einige Unterbringungen sind zudem noch weiter spezialisiert, zum Beispiel auf die Betreuung von traumatisierten Minderjährigen.
Integration
Alle Kinder und Jugendliche haben ein Recht auf Schulbesuch. Durch die föderale Struktur ist der Zugang zu Schulen für Geflüchtete jedoch in den Bundesländern unterschiedlich geregelt. Die Bundesländer bieten verschiedene Modelle von Vorbereitungs- und Übergangsklassen an.
Die Möglichkeit, eine Berufsausbildung aufzunehmen und zu absolvieren, kann von der Unsicherheit über den Aufenthaltsstatus beeinträchtigt werden. Mit der sogenannten Ausbildungsduldung wurde eine Bleiberechtsmöglichkeit für die Zeit der Ausbildung und darüber hinaus geschaffen.
Rückkehr
Vor einer möglichen Abschiebung von unbegleiteten Minderjährigen müssen sich die zuständigen Behörden vergewissern, dass im Rückkehrstaat eine sorgeberechtigte Person oder eine geeignete Aufnahmeeinrichtung die Betreuung der Minderjährigen übernimmt. Dies ist in der Praxis schwer erfüllbar, so dass Abschiebungen unbegleiteter Minderjähriger kaum vorkommen. Bis zur Volljährigkeit wird unbegleiteten Minderjährigen daher in der Regel eine Duldung erteilt. Entscheiden sich die Minderjährigen für eine freiwillige Rückkehr, können sie eine finanzielle Förderung zur Ausreise und Reintegration im Herkunftsstaat (z. B. durch das REAG/GARP-Programm) beantragen. Auch hier muss vor der Ausreise sichergestellt werden, dass die Minderjährigen im Herkunftsstaat betreut wird.
Verschwinden
Immer wieder werden unbegleitete Minderjährige als vermisst gemeldet. Vermutet wird, dass die Kinder und Jugendlichen oft zu Familien und Freunden weiterreisen oder mit der Verteilung im Bundesgebiet unzufrieden sind und sich daher der Zuweisung entziehen. Dass unbegleitete Minderjährige Opfer von Verbrechen werden, kann ebenfalls nicht ausgeschlossen werden. Eine valide Datengrundlage existiert in diesem Bereich derzeit nicht.
Familienzusammenführung und -nachzug
In der Regel liegt das Zusammenleben von unbegleiteten Minderjährigen mit Mitgliedern ihrer Familie im Interesse des Kindeswohls. Befinden sich Verwandte von unbegleiteten Minderjährigen, die sich in jugendhilferechtlicher Zuständigkeit befinden, in Deutschland oder einem Mitgliedsstaat der europäischen Union, kann das zuständige Jugendamt auf eine Familienzusammenführung hinwirken Die Zusammenführung ist jugendhilferechtlich geregelt. Der Familiennachzug hingegen ist aufenthaltsrechtlich geregelt und betrifft den Nachzug von Verwandten aus dem Herkunftsstaat oder anderen Drittstaaten. Ob und wie dieser möglich ist, hängt vom aufenthaltsrechtlichen Status der Minderjährigen ab, zu denen sie nachziehen wollen.
Das Working Paper 80 "Unbegleitete Minderjährige in Deutschland – Herausforderungen und Maßnahmen nach der Klärung des aufenthaltsrechtlichen Status" ist im Rahmen des Europäischen Migrationsnetzwerkes (EMN) bearbeitet worden.
Redaktion der Studie: Julian Tangermann, Paula Hoffmeyer-Zlotnik