Richtlinie über den vorübergehenden Schutz von Geflüchteten aus der Ukraine in Deutschland , , Studie der deutschen nationalen Kontaktstelle für das Europäische Migrationsnetzwerk (EMN)
Quelle: BAMF (Coverbild: AdobeStock | New Africa)
Das EMN Deutschland Paper widmet sich der Umsetzung der Richtlinie zum vorübergehenden Schutz von Geflüchteten aus der Ukraine in Deutschland.
Als Reaktion auf den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine und der damit einhergehenden Fluchtbewegung wurde am 4. März 2022 erstmalig die EU-Richtlinie 2001/55/EG über Mindestnormen für die Gewährung vorübergehenden Schutzes aktiviert. Sie ermöglicht die Aufnahme von Geflüchteten ohne Einzelfallprüfung wie im Asylverfahren. In diesem Zuge wurden in Deutschland bis heute über 1,1 Millionen ukrainische Geflüchtete registriert. Die vorliegende Studie untersucht neben der rechtlichen und verwaltungstechnischen Umsetzung der Richtlinie in Deutschland den Zugang zu den unter der Richtlinie gewährten Rechten und beleuchtet bewährte Praktiken sowie den Umgang staatlicher Akteure mit Herausforderungen im Zusammenhang mit der Implementierung der Richtlinie.
Ankunft: Registrierung und Verteilung
Ergänzend zu bereits etablierten Verfahren wie der Registrierung durch sogenannte PIK-Stationen kommen auch erstmals neue Maßnahmen wie die Verteilungsplattform FREE zum Einsatz. Diese ermöglicht eine präzise Erfassung der Geflüchteten und verbesserte Verteilungsverfahren, da nun auch Aspekte wie die Verfügbarkeit von Wohnraum und soziale Bindungen berücksichtigt werden.
Besonders gefährdete Gruppen: Schutz von Minderjährigen, Schutz vor Menschenhandel und Ausbeutung
Im Zuge der Fluchtbewegung aus der Ukraine sind fast 5.000 Minderjährige ohne Begleitung ihrer Eltern, aber häufig mit Verwandten angekommen. Die Herausforderung für die Behörden besteht hauptsächlich darin, bestehende Sorgerechtsverhältnisse aus der Ukraine zu klären und diese unter Berücksichtigung des Kindeswohls auch nach deutschem Recht anzuerkennen. Im Bereich des Menschenhandels gab es keinen signifikanten Anstieg der gemeldeten Fälle, was auf die sichere Rechtsstellung im Rahmen des temporären Schutzes und umfangreiche Aufklärungskampagnen zurückgeführt wird.
Mobilität der ukrainischen Geflüchteten
Zur Gewährleistung der freien Mobilität der Geflüchteten innerhalb der Europäischen Union und zur Vermeidung von Leistungsmissbrauch durch Doppelregistrierungen wurde die Registrierungsplattform Temporary Protection Registration Plattform (TPP) geschaffen. Allerdings bestehen weiterhin im Bereich der temporären und dauerhaften Rückkehr in die Ukraine ein Dunkelfeld, das durch eine geplante Verbesserung des Datenaustausches zwischen Ausländer- und Leistungsbehörde ausgeleuchtet werden soll.
Unterbringung und Wohnsituation
Ukrainische Geflüchtete mit einem Aufenthaltstitel nach § 24 Abs. 1 AufenthG unterliegen grundsätzlich einer Wohnsitzregelung nach § 12a AufenthG. Unterstützt durch staatliche Maßnahmen spielen private Unterkünfte eine zentrale Rolle bei der Wohnraumversorgung. Trotz des angespannten Wohnungsmarktes sind etwa 79 Prozent der ukrainischen Geflüchteten in privaten Unterkünften untergebracht.
Arbeitsmarktpartizipation und Zugang zu Sozialleistungen
Schutzberechtigte aus der Ukraine haben vollen Zugang zum Arbeitsmarkt und erhalten Leistungen nach dem SGB II und SGB XII. Die Beschäftigungsquote der ukrainischen Geflüchteten stieg im Sommer 2023 auf 19 Prozent im Vergleich zu 14,6 Prozent im Jahr 2022. Maßnahmen wie der Aktionsplan "Turbo zur Arbeitsmarktintegration" zielen darauf ab, Geflüchtete schneller in den Arbeitsmarkt zu integrieren.
Zugang zum Bildungssystem
Über 210.000 ukrainische Schülerinnen und Schüler besuchten im September 2023 deutsche Schulen. Neben der Integration in den regulären Schulbetrieb werden ukrainische Lehrkräfte und Schulmaterialien sowie Online-Teilnahme am ukrainischen Fernunterricht genutzt, um die weitere Beschulung im Falle einer möglichen Rückkehr in die Ukraine zu erleichtern. Geflüchtete Studierende aus der Ukraine haben erleichterten Zugang zum deutschen Hochschulsystem.
Wechsel in andere Aufenthaltstitel
Trotz zunehmender Integration haben bisher nur wenige Personen den Übergang zu anderen Aufenthaltstiteln vollzogen. Angesichts des bevorstehenden Auslaufens der Richtlinie im März 2025 stellt sich die Frage nach der Gestaltung eines solchen Übergangs. Es ist wichtig, den Übergang frühzeitig zu gestalten, um sowohl für die Behörden als auch für die Geflüchteten Planungssicherheit zu gewährleisten.
Die Studie wurde verfasst von: Philipp Heiermann und Kaan Atanisev
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Zitation
Heiermann, P. & Atanisev, K. (2024). Die Anwendung der Richtlinie über den vorübergehenden Schutz auf Geflüchtete aus der Ukraine in Deutschland: Bewährte Praktiken und Herausforderungen (EMN Deutschland Paper 1/2024). Nürnberg. Bundesamt für Migration und Flüchtlinge.
https://doi.org/10.48570/bamf.fz.emndp.01/2024.d.2024.rlschutzukr.1.0