Humanitäres Aufnahmeverfahren , Datum: 14.11.2019, Format: Artikel, Bereich: Asyl und Flüchtlingsschutz

Diesen Inhalt gibt es auch auf

Ein Humanitäres Aufnahmeverfahren dient in Kriegs- und Krisensituationen dazu, eine zeitnahe Aufnahme einer großen Anzahl von Geflüchteten einer bestimmten Nationalität oder Gruppe möglich zu machen. Es ist damit ein Instrument, mit dem besonders schutzbedürftigen Menschen Schutz vor Krieg und den damit eingehenden Folgen gewährt werden kann. Es dient ebenfalls zur Wahrung ihrer Rechte. Deutschland und andere Länder beteiligen sich seit mehreren Jahren an solchen Programmen und teilen sich dabei die internationale Verantwortung, Flüchtlingen weltweit Schutz zu bieten.

Der Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung setzt einen politischen Schwerpunkt auf die humanitären Aufnahmeverfahren. Auf Grundlage der Aufnahmeanordnung des Bundesministeriums des Innern und für Heimat vom 17. Januar 2022 wird die Humanitäre Aufnahme von 3.000 schutzbedürftigen Personen syrischer Staatsangehörigkeit oder Staatenlosen aus der Türkei bis zum 31. Dezember 2022 ermöglicht

Auswahlkriterien

Eine Bewerbung zur Aufnahme in das Humanitäre Aufnahmeverfahren ist nicht vorgesehen. Für das laufende Aufnahmeverfahren für syrische Flüchtlinge, die sich in der Türkei befinden, erstellt die türkische Migrationsbehörde (DGMM) Listen mit Personenvorschlägen und leitet diese dem Hohen Flüchtlingsrat der Vereinten Nationen (UNHCR) zu. Nach einem Prüfverfahren schlägt der UNHCR dem Bundesamt Flüchtlinge zur Auswahl vor. Erst wenn ein entsprechender Auswahlvorschlag dem Bundesamt zugeht, kann geprüft werden, ob eine Aufnahme nach Deutschland mit Hilfe dieses Programmes erfolgen kann.

Die Auswahlkriterien sind in der Regel:

  • die Wahrung der Einheit der Familie,
  • familiäre oder sonstige integrationsförderliche Bindungen nach Deutschland,
  • Integrationsfähigkeit (wie etwa Grad der Schul-/Berufsausbildung, Berufserfahrung, Sprachkenntnisse),
  • der Grad der Schutzbedürftigkeit bestimmter Personengruppen wie Frauen, Kindern, älteren und kranken Menschen sowie
  • ggf. weitere Kriterien, die im Rahmen von gemeinsamen Verfahrensleitlinien auf EU-Ebene mit der Türkei vereinbart werden.

Humanitäre Aufnahme syrischer Flüchtlinge von 2013-2022

Am 20. März 2013 hat der Bundesminister des Innern im Einvernehmen mit den Innenministern und -senatoren der Länder entschieden, im Vorgriff auf eine erwartete gesamteuropäische Hilfsmaßnahme zur Bewältigung der humanitären Krise in Syrien und dessen Anrainerstaaten im Jahr 2013 bis 5.000 besonders schutzbedürftige Syrerinnen und Syrer für die Dauer des Konflikts aufzunehmen. Am 30.05.2013 wurde die entsprechende Aufnahmeanordnung im Benehmen mit den Bundesländern erlassen. Der Bundesminister des Innern hat im Nachgang zur Innenministerkonferenz vom 04.-06.12.2013 das bestehende Kontingent um weitere 5.000 Menschen erhöht. Die entsprechende Aufnahmeanordnung wurde am 23.12.2013 erlassen. Mit Anordnung vom 18.07.2014 wurde das Kontingent nochmals um diesmal 10.000 Schutzbedürftige auf somit insgesamt 20.000 Schutzbedürftige erweitert. Das Verfahren ist mittlerweile abgeschlossen.

In der Erklärung vom 16. März 2016 haben sich die EU und Türkei zum Ziel gesetzt, die irreguläre Migration aus der Türkei in die EU zu beenden, um das Geschäftsmodell der Schleuser zu zerschlagen und Schutzsuchenden eine Alternative zu bieten, damit sie nicht ihr Leben bei irregulärer Migration aufs Spiel setzen. In Hinblick auf dieses Ziel wurden unter anderem Neuansiedlungen bzw. humanitäre Aufnahmen von Syrern aus der Türkei innerhalb der EU vereinbart. Deutschland hat in diesem Rahmen zugesagt, monatlich bis zu 500 schutzbedürftige Personen aus der Türkei aufzunehmen.

Im September 2016 eröffnete die EU den Mitgliedsstaaten die Möglichkeit, ihre Verpflichtungen zum Teil auch über Neuansiedlungen aus der Türkei und nicht nur über Relocation innerhalb der EU erfüllen zu können. Aufgrund der "Umwidmung" dieses Teilkontingents aus dem Relocation-Verfahren konnten von Deutschland bis zu 13.694 Plätze genutzt werden. Hierunter wurden allerdings auch Aufnahmen aus anderen Maßnahmen (z. B. die Regelungen zum Familiennachzugverfahren) gefasst.

Seit 2016 ergingen sieben weitere Aufnahmeanordnungen zur Humanitären Aufnahme aus der Türkei.

Rechtliche Grundlagen

Die rechtliche Basis des Humanitären Aufnahmeverfahrens bildet § 23 Absatz 2 des Aufenthaltsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland (AufenthG). Das Bundesamt ist für die Durchführung des Aufnahme- und Verteilverfahrens gem. § 75 Nr. 8 AufenthG zuständig.

Aufenthaltstitel
Den ausgewählten Personen wird zunächst eine befristete Aufenthaltserlaubnis erteilt. Sie müssen kein Asylverfahren durchlaufen. Mit einer Asylantragstellung erlischt die nach § 23 Abs. 2 AufenthG erteilte Aufenthaltserlaubnis gem. § 51 Abs. 1 Nr. 8 AufenthG automatisch. Für die Dauer der Durchführung des Asylverfahrens wird eine Aufenthaltsgestattung ausgestellt.
Die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis richtet sich nach § 8 AufenthG; die Erteilung eines unbefristeten Aufenthaltstitels richtet sich nach § 9a bzw. § 26 Abs. 4 AufenthG; die Pflichten des Betroffenen nach § 48 AufenthG bleiben unberührt.

Wohnsitz
Die Flüchtlinge werden nach ihrer Ankunft nach einem festgelegten Schlüssel auf die Bundesländer verteilt. Für die Verteilung findet § 24 Abs. 3 und 4 des AufenthG entsprechende Anwendung (§ 23 Abs. 3 AufenthG). Außerdem erhalten sie eine Wohnsitzauflage. Die Personen haben ihre Wohnung und ihren gewöhnlichen Aufenthalt an dem Ort zu nehmen, der ihnen zugewiesen wurde (§ 23 Abs. 4 S. 2 AufenthG i. V.m. § 24 Abs. 5 S. 2 AufenthG). Der Umzug in einen anderen Landkreis oder in ein anderes Bundesland ist dabei an Auflagen (z.B. Arbeitsplatzsuche oder Studium) gebunden.

Arbeitsaufnahme
Ab Erhalt der Aufenthaltserlaubnis ist die Erwerbstätigkeit gestattet (§ 23 Abs. 4 S. 2 AufenthG i.V.m. § 23 Abs. 2 S. 5 AufenthG).

Familiennachzug
Bezüglich des Familiennachzugs gelten die Regelungen der §§ 27 ff. AufenthG. Vorrangig ist der Familiennachzug für die Kernfamilie, also Ehegatten und minderjährige Kinder, möglich. Für andere Familienangehörige besteht diese gesetzliche Möglichkeit nicht bzw. nur in eng begrenzten Ausnahmefällen.