Fairplay statt Sieg um jeden Preis , Datum: 27.06.2024, Format: Meldung, Bereich: Integration

Die UEFA EURO 2024 ™ Vielfaltstour hat in Klassenzimmern, Turnhallen und auf Sportplätzen bundesweit Kinder und Jugendliche begeistert. Die Botschaft: Fairness ist nicht nur auf dem Platz wichtig, sondern auch daneben.

Die junge Torhüterin will den Ball halten. Doch der prallt unglücklich an ihrer Hand ab. Das Mädchen schreit auf, weint. Der Schütze rennt zu ihr, legt ihr eine Hand auf die Schulter. Andere Mitspielende kommen dazu, trösten das Mädchen, bis der Lehrer da ist. "Alle Kinder sind zu ihr gerannt, vorneweg der, der den Ball geschossen hat", sagt Nadine Merten, Mitarbeiterin des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB).

Szenen wie diese hat die Projektverantwortliche für die UEFA EURO 2024 ™ Vielfaltstour in den vergangenen Monaten vielfach beobachtet. Kinder, die einander helfen, über sich hinauswachsen, fernab von Hass, Rivalität oder Diskriminierung.

Die Tour, die vom DOSB im Rahmen des vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge geförderten Bundesprogramms "Integration durch Sport" organisiert wird, hat an acht Standorten der UEFA EURO 2024™ Halt gemacht. In interaktiven Workshops wurden Kinder im Alter von 10-14 Jahren sportlich-spielerisch an zentrale Vielfaltsthemen wie Demokratieverständnis, Fairplay oder Antirassismus herangeführt. Die Tour gehört damit zum umfassenden Begleitprogramm der Bundesregierung zur UEFA EURO 2024™, mit dem demokratische Werte, Zusammenhalt, Respekt und Vielfalt in Deutschland und Europa gestärkt werden sollen.

Für Vielfalt und Fairness

Ein stehender Mann mit einem Plakat in der Hand spricht zu drei anderen Teilnehmenden. Thomas Kran vom Bayerischen Landes-Sportverband spricht in seinem Workshop über Fairness auf und neben dem Platz. Quelle: DOSB | Kristin Kasten

Der vorerst letzte Stopp der Tour ist in Taufkirchen bei München. Kurz vor dem Anstoß des Eröffnungsspiels ist die Vielfaltstour hier für zwei Tage an einer Mittelschule zu Gast. Der erste Morgen startet mit verschiedenen Workshops, in denen es um faires Verhalten, Vorurteile und barrierefreie Kommunikation geht. "Wir haben das Projekt auf zwei Säulen aufgebaut", sagt Projektleiterin Merten. "Am ersten Tag machen wir Bildungsworkshops, in denen wir Kompetenzen stärken und Sichtbarkeit für Themen schaffen wollen, um sie dann am zweiten Tag auf dem Spielfeld anwenden zu können."

Die Kinder werden aus den verschiedenen Klassen bunt zusammengewürfelt, nicht alle kennen sich. "Und selbst die, die sich kennen, wissen oft wenig voneinander", sagt Workshopleiter Thomas Kran vom Bayerischen Landes-Sportverband. In kurzen Spielen zeigt er den Kindern, dass Menschen vielschichtig sind, man niemandem ansehen kann, was in ihm steckt. Gemeinsam diskutieren sie über faires und unfaires Verhalten in der Schule, auf dem Pausenhof oder auch zuhause. "Wir knüpfen an den Lebensalltag der Kinder an und fragen sie, was Menschen tun können, um Fairness zu fördern." Alle sind sich schnell einig: Wenn andere Regeln ignorieren, man aus dem Nichts heraus Ärger bekommt oder die besten Spielerinnen im gleichen Team sind, ist das unfair.

Sport vereint Menschen

Wie das aussehen kann, zeigt sich in der Turnhalle der Schule. Ein Junge darf bestimmen, wer in einer Mannschaft zusammenspielt und verteilt die Leibchen. "Verteile sie fair", mahnt der Workshopleiter. Trotzdem wählt der Junge vor allem die großen, starken Spieler in sein Team. Dann der Twist: Das Mädchen neben ihm entscheidet, ob sie die Mannschaft mit den Leibchen anführen will oder die ohne. "Das ist ungerecht. Die großen Jungs haben alle ein Leibchen an!", ruft der Junge. Doch der Unmut über die eigene Fehlentscheidung ist schnell vergessen. Während Deutschrap über den Linoleumboden hinweg wummert, beginnt das Spiel, in dem es weniger auf das eigene Können, sondern vielmehr auf die Teamleistung ankommt.

Am Mittag versammeln sich alle Kinder in der Turnhalle. Der 16-jährige Fußball-Freestyler Jan zeigt in einem Halbkreis aus Turnkästen sein Können. Neben ihm steht Björn Naß, der als Blindenreporter die Spiele von Bayer Leverkusen kommentiert. Heute beschreibt er in rasender Geschwindigkeit jedes Kunststück des Fußball-Freestylers für das junge Publikum. In der anschließenden Gesprächsrunde erzählen beide, wie sie aus ihren Hobbys mehr gemacht haben.

Auch der Oberliga-Schiedsrichter Kisanet Zekarias und die ehemalige afghanische Fußballnationalspielerin Mariam Ruhin berichten aus ihrem Leben. "Ich bin überrascht, wie gut die Schülerinnen und Schüler in der Talkrunde zugehört haben", sagt Lehrer Simon Höllerl im Anschluss. "Das hat ihnen gefallen, weil die Menschen in der Runde wirklich was zu erzählen hatten."

Von der Theorie aufs Spielfeld, vom Spielfeld ins Leben

Am nächsten Tag geht es früh auf den Sportplatz. Neben Fußball und Handball stehen auch die paralympische Sportart Goalball und Ultimate Frisbee auf dem Plan. Frisbee gilt als fairste Sportart der Welt, wird häufig ohne Schiedsrichter und nicht nach Geschlechtern getrennt gespielt. "Es ist schön, dass die Kinder rauskommen und mal was anderes machen, als immer nur Fußball spielen oder spazieren gehen", sagt Lehrer Höllerl. Jedes Kind tritt in jeder Sportart an und spielt in wechselnden, altersgemischten Teams. "Das Spielergebnis und das Fairplay-Verhalten werden gleichhoch gewichtet", erklärt Nadine Merten. Nach jedem Spiel bekommen die jungen Sportlerinnen und Sportler Murmeln, die jedes Kind für seine Klasse sammelt. Die Glasstelen, in denen die Murmeln gesammelt werden, füllen sich schnell. Jedes Kind wirft stolz die erspielten Murmeln hinein. "Am Ende gewinnt die Klasse, die sportlich am erfolgreichsten war und am fairsten gespielt hat." Der Preis: ein Stadionbesuch in der Allianz-Arena.

Kinder spielen Fussball. Was am Vortag in Workshops besprochen wurde, setzen die Kinder und Jugendliche am nächsten Tag auf dem Platz um. Quelle: DOSB | Kristin Kasten


Aus der anfänglichen Skepsis vieler Kinder ist am Ende des Sportevents pure Euphorie geworden. "Ich habe mich nicht auf heute gefreut", gibt ein 12-Jähriges Mädchen zu. "Aber jetzt fand ich es doch ziemlich cool". Ein anderes Mädchen überlegt, ob sie mal zum Training der Frisbee-Mannschaft gehen soll. "Die Schüler kommen aus dem Schulalltag raus, können über sich hinauswachsen, werden gesehen, sehen sich selbst, sehen andere", sagt Nadine Merten. "Jeder Einzelne merkt, wie wichtig er oder sie als Teil des Teams und der Gesellschaft ist." Am Ende gewinnen alle, davon ist sie überzeugt. Die Projektleiterin erzählt von Kindern, die sich im Anschluss der UEFA EURO 2024 ™ Vielfaltstour-Stopps für den Lehrgang als Schiedsrichter beworben haben, andere haben neue Freundinnen und Freunde gefunden oder eine Sportart für sich entdeckt. "Unsere Schülerinnen und Schüler werden ihren Familien vor allem vom Sport erzählen", davon ist Lehrer Höllerl überzeugt. "Sport ist das Medium für die Werte, die ihnen in den vergangenen zwei Tagen vermittelt wurden. Und diese Werte, die nehmen sie unterbewusst ebenfalls mit."

Text: Kristin Kasten

Hinweis

Das Bundesprogramm "Integration durch Sport" fördert die Teilhabe von Menschen mit Migrationsgeschichte am organisierten Sport durch passgenaue Angebote und vermittelt Kernkompetenzen und Werte, die in allen gesellschaftlichen Bereichen wichtig sind.

Die UEFA EURO 2024 ™ Vielfaltstour wird vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge im Rahmen des Bundesprogramms "Integration durch Sport" gefördert und vom Deutschen Olympischen Sportbund organisiert.

Flyer "Integration durch Sport" Format: Flyer, Dieser Download ist in weiteren Sprachen verfügbar

Dieser Flyer bietet Informationen zu den Inhalten und den Teilnahmemöglichkeiten am Programm "Integration durch Sport" (IdS).

Impressionen von der UEFA EURO 2024™ Vielfaltstour

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