"Ich weiß noch, was mir beim Lernen geholfen hat" , Datum: 20.06.2024, Format: Meldung, Bereich: Integration , Mark Alshikh Najjar kam 2015 aus Syrien nach Deutschland. Bereits seit 2017 unterrichtet er Erstorientierungskurse. Im BAMF-Interview erzählt er von seinen Erfahrungen und wie die Kurse das Ankommen in Deutschland erleichtern.

Schon zwei Jahre nachdem Mark Alshikh Najjar nach Deutschland gekommen ist, arbeitete er als Lehrkraft in Erstorientierungskursen (EOK). Der ehemalige Grundschullehrer aus Syrien unterstützt nun seit sieben Jahren Schutzsuchende und Zugewanderte bei ihren ersten Schritten in Deutschland. Als Lehrkraft bei der Johanniter-Unfall-Hilfe e. V. in Magdeburg gibt er den Kursteilnehmerinnen und -teilnehmern einen Überblick über das Leben in Deutschland und vermittelt ihnen grundlegende Deutschkenntnisse für die alltägliche Verständigung. Im BAMF-Interview erklärt er, warum ihm das Unterrichten Freude macht und wie die EOK beim Ankommen in Deutschland helfen.

Was hat Sie dazu motiviert, Lehrkraft in Erstorientierungskursen (EOK) zu werden?

Im Hintergrund sitzen Erwachsene und Kinder an Tischen. Im Vordergrund liegen drei Wörterbücher auf einem Tisch. In den Erstorientierungskursen erwerben Schutzsuchende und Zugewanderte nicht nur einfache Deutschkenntnisse, sondern auch ein grundlegendes Verständnis des gesellschaftlichen Zusammenlebens in Deutschland Quelle: Franziska Kraufmann | BAMF | Bildkraftwerk

Schon meine Arbeit in einer Grundschule in Syrien hat meine Leidenschaft fürs Unterrichten geprägt. Das war auch eine Motivation, hier in Deutschland wieder zu unterrichten. Ich habe mich für die Erwachsenenbildung interessiert und wollte mich in diesem Bereich weiterentwickeln. Meine Erfahrung als Grundschullehrer in Syrien war dafür schon mal eine gute Voraussetzung. Während meiner Arbeit als Betreuer in einer Flüchtlingsunterkunft bei der Johanniter-Unfall-Hilfe konnte ich mich um Erwachsene kümmern und ihnen helfen. Als EOK-Lehrer kann ich die beruflichen Erfahrungen aus Syrien und aus Deutschland vereinen.

Als Lehrkraft habe ich die Möglichkeit, die Fähigkeiten der Kursteilnehmerinnen und -teilnehmer zu fördern sowie einen positiven Einfluss auf ihr Leben und ihre Karriere zu nehmen. Im EOK kann ich genau das machen und außerdem den Lernenden die Sprache, die Kultur und die deutsche Geschichte näherbringen.

Welchen Herausforderungen stehen die Teilnehmenden in den Kursen gegenüber?

Besonders die tägliche Sprachbarriere zwischen den einzelnen Kursteilnehmerinnen und -teilnehmern und im Alltag ist anfänglich schwer, weil wir uns im Unterricht ja auch untereinander verständigen müssen. Aber das schaffen wir nach ein paar Tagen im Kurs zusammen. Die Kursteilnehmerinnen und -teilnehmer lernen auch, wie sie im Alltag mit deutschen Wörtern klarkommen – an der Kasse, auf dem Amt oder in der Straßenbahn. Oft haben sie anfangs Angst, ihr Erlerntes anzuwenden.

Natürlich sind auch kulturelle Unterschiede eine Herausforderung. Die Teilnehmenden lernen im EOK auf diesem Gebiet viel Neues, das sie in keinem Buch nachschlagen können. Und wir dürfen auch nicht vergessen: Es ist herausfordernd eine neue Sprache zu lernen, während auch das ganze Leben neu organisiert werden muss. Diese Belastung merke ich in den Kursen bei den Teilnehmenden sehr.

Wie unterstützen Sie die Teilnehmenden dabei, diese Herausforderungen zu meistern?

Kursteilnehmende halten kleine Kärtchen in der Hand. Auf den Kärtchen stehen deutsche Begriffe. In den EOK gibt es Zeit für Diskussionen in der Gruppe und gemeinsames Arbeiten. Die Kursteilnehmenden üben dabei den Umgang mit alltäglichen Begriffen und Situationen. Quelle: Franziska Kraufmann | BAMF | Bildkraftwerk

Ich lasse gern Zeit für Diskussion und Austausch im Unterricht. Das hilft, einander besser zu verstehen – sowohl sprachlich als auch kulturell. Ich versuche, den Unterricht immer lebensnah zu gestalten, also Dialoge und Wortschatz einzusetzen, die die Teilnehmenden tatsächlich brauchen. Ich ermutige die Leute immer wieder, ihr Erlerntes anzuwenden. Ich möchte, dass sie sich trauen, Deutsch zu sprechen und keine Angst haben, Fehler zu machen.

Meine eigene Migrationsbiografie hat einen positiven Einfluss auf meine Lehrtätigkeit. Ich weiß noch, was mir beim Lernen geholfen hat – nämlich das Sprechen mit anderen auf Deutsch. Man braucht besonders in diesen Kursen interkulturelle Sensibilität und Einfühlungsvermögen für die Lernenden. Ich kann nachvollziehen, wie es sich anfühlt, gar nichts zu verstehen. Ich gebe meine Erfahrungen an die Kursteilnehmenden weiter, um ihnen das Deutschlernen ein bisschen zu erleichtern.

Welche Inhalte sind Ihnen in den EOK besonders wichtig?

Mir ist besonders wichtig, dass die Teilnehmenden die Alltagskommunikation bewältigen können, zum Beispiel Termine machen oder einfach um Hilfe bitten. Außerdem möchte ich ihnen eine kulturelle Orientierung geben. Ich vermittle auch gern die Werte und Grundregeln des gesellschaftlichen Zusammenlebens in Deutschland. Über politische Systeme kann man viel diskutieren, aber am Ende stellen wir in jedem Kurs immer fest, dass wir alle einen respektvollen Umgang miteinander brauchen – egal woher wir kommen.

Ich finde es außerdem wichtig, schon im EOK zum Arbeitsmarkt und Berufsleben zu informieren, weil die Leute früh wissen wollen, wie sie beruflich in Deutschland Fuß fassen können.

Wie tragen die EOK Ihrer Meinung nach dazu bei, Schutzsuchenden und Zugewanderten den Start in Deutschland zu erleichtern?

Ein Mann steht vor einer Wand. Mark Alshikh Najjar ist 2015 nach Deutschland gekommen. Seit 2017 ist er EOK-Lehrkraft und lebt seit 2019 mit seiner Familie in Magdeburg. Quelle: Juliane Quägwer | Johanniter-Unfall-Hilfe e. V.

Die EOK können Geflüchteten und Zugewanderten das Ankommen in Deutschland erheblich erleichtern.

Einer meiner ehemaligen EOK-Teilnehmer aus dem Iran zum Bespiel wollte unbedingt einen Platz für eine Ausbildung als Altenpfleger ergattern, wusste aber nicht, wie das funktioniert. Wir haben im EOK Bildungswege, Anerkennung von Abschlüssen und Weiterbildungsmöglichkeiten behandelt und geübt, wie man einen Lebenslauf schreibt oder wie man nach Beratung für berufliche Orientierung fragt. Wir haben außerdem verschiedene Beratungsstellen im Unterricht vorgestellt. Er hat dadurch eine gute Begleitung gefunden und motiviert weiter Deutsch gelernt. So hat der Kurs direkt den Weg zur beruflichen Integration unterstützt.