Mehr als ein Spiel , Datum: 29.05.2024, Format: Meldung, Bereich: Integration

Mitte Mai trat in Berlin das Team "Integration durch Sport" gegen den FC Bundestag an. Auf dem Fußballplatz zeigte sich die verbindende Kraft des Sports.

Portraitaufnahme eines Mannes, der auf einem Fußballfeld steht und einen Fußball in der Hand hält. "Fairplay, Respekt, Zusammenhalt – diese Werte bringt Fußball alle mit", sagt Coach Otto Addo, selbst ehemaliger Fußballspieler und Talent-Manager. Quelle: BAMF | Kristin Kasten

"Wir sind ein Team!" und "Vielfalt!" rufen die Fußballerinnen und Fußballer in den roten Trikots und legen im Kreis die Arme umeinander. Die Spielerinnen und Spieler sind aus allen Teilen der Republik angereist. Sie gehören zum Auswahl-Team des vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) geförderten Bundesprogramms "Integration durch Sport" (IdS). Was sie eint, ist ihr Engagement für Integrationsprojekte im Sportbereich.

Viele haben sich erst am Tag zuvor beim Training kennengelernt. Trotzdem wollen sie heute gegen die Mannschaft des FC Bundestag siegen, einem Zusammenschluss von Abgeordneten des deutschen Parlaments, die überparteilich und interfraktionell die Werte der freiheitlich-demokratischen Grundordnung Deutschlands vertreten. "Sport ist eines der besten Mittel, um Menschen zusammenzubringen", sagt Otto Addo, der das IdS-Team coacht. Der ehemalige Bundesliga-Spieler ist vom Können seiner Mannschaft überzeugt und tippt vor Spielbeginn auf einen Sieg gegen die Parlamentsmitglieder.

Fußball und Integration – der perfekte Doppelpass

Im Tor des IdS-Teams steht heute Dr. Martin Correll, Referent im Bundesamt und zuständig für Integration durch Sport. Der Sportplatz ist für ihn ein Ort, an dem Integration auf natürliche Weise stattfinden könne. Ohne Druck, Ansprüche und Erwartungen. "Mitglied eines Vereins zu sein, erleichtert das emotionale Ankommen. Die Menschen werden Teil der Gemeinschaft, fühlen sich wohl." Das würden auch die IdS-Projekte immer wieder eindrucksvoll beweisen.

In der 35-jährigen Geschichte des IdS-Programms haben die großen Zäsuren, wie die Fluchtbewegung 2015 oder auch der Ausbruch des Ukrainekriegs, gezeigt, was integrative Sportprojekte möglich machen. "Was da vor Ort geleistet wurde, war enorm", sagt Correll. Integrationsarbeit klinge in den Ohren von vielen Menschen nach großer Anstrengung. "Auf dem Platz wird daraus Spiel und Spaß." Doch auch der Fußballplatz mache Integration nicht zum Selbstläufer, auch hier komme es zu Konflikten, Diskriminierung und Rassismus: Integration sei deswegen "eine Langzeitaufgabe, die immer wieder neue Herausforderungen mit sich bringt."

IdS-Spielerin Maren Fey hilft schon den Kleinsten beim Ankommen in Deutschland. Die 29-jährige Fußballtrainerin aus Trier leitet in ihrem Verein das Projekt "Sport mit Flüchtlingskindern". "Es ist mir wichtig, dass die Kids auch mal aus den Erstaufnahmeeinrichtungen rauskommen und zusammen mit anderen Kindern Spaß haben", erklärt sie ihr Engagement. Auf dem Fußballplatz sei jede und jeder willkommen. Barrieren gebe es nicht. Die Regeln des Spiels seien bekannt. Deutschkenntnisse brauche man nicht. "Die Körpersprache ist die Sprache im Sport."

Wie wichtig so ein niedrigschwelliges Angebot sein kann, weiß auch IdS-Spieler Assan Jallow. Er kam 2011 als unbegleiteter jugendlicher Flüchtling aus Gambia nach Deutschland. "Sport hat mein Leben verändert", sagt der gelernte Feinwerkmechaniker. Sport sei der beste Weg, sich zu integrieren. "Was Zusammenhalt und Familie bedeutet, habe ich dort gelernt." Heute will der 31-Jährige mit der Nummer 8 auf dem Rücken unbedingt Tore schießen. "Der Team Spirit ist überragend", sagt er. Er tippt auf einen mühelosen Sieg gegen die Mannschaft des Bundestags.

Lautstarkes Heimpublikum

Portraitaufnahme einer Fußballspielerin, die einen Fußball unterm Arm hält. "Sport kann Grenzen überwinden", erklärt Maren Fey, Spielerin im Team "Integration durch Sport". Quelle: BAMF | Kristin Kasten

Und tatsächlich – nach Anpfiff geht das IdS-Team schnell in Führung. An der Seitenlinie feuert Peggy Bellmann, Leiterin des Bereichs Diversity im Deutschen Olympischen Sportbund, das Team mit der Pappklatsche in der Hand lautstark an. "Fußball hat eine große integrative Kraft und eint Menschen unabhängig von Herkunft, Alter, Geschlecht oder auch sexueller Identität", sagt sie. Das IdS-Programm habe seit seinem Bestehen viel erreicht und große Erfolge gefeiert. "Wir sehen überall in Deutschland Menschen mit Migrationsgeschichte auf dem Platz." Das allein reiche aber nicht aus. "Wir müssen die Teilhabe und die Präsenz dieser Menschen im gesamten deutschen Sport erhöhen – also auch in den Vorständen, Präsidien und anderen Funktionen." Das sei eine Aufgabe, die das IdS-Bundesprogramm verstärkt angehen müsse.

Wie das gelingen kann, zeigt Aziz Youssef. Der aus Syrien stammende Deutsche ist Integrationslotse beim Sportverband Kiel, lizenzierter Fußballtrainer und engagiert sich seit vielen Jahren im Integrationsbereich. "Ich glaube daran, dass der Sport die Kraft gibt, die Menschen zu vereinen, Stereotypen zu schwächen und Vorurteile abzubauen", sagt er und rückt seine regenbogenfarbene Kapitänsbinde zurecht. Fußball bringe Menschen auf dem Platz zusammen, die sich sonst nicht begegnen würden. So wie heute. "Ich freue mich auf die Politiker und den Austausch mit ihnen."

Ein erfolgreiches Zusammenspiel

Auf dem Platz läuft es gut für das IdS-Team. Zur Pause steht es 2:0. Trainer Otto Addo ruft die Mannschaft zusammen. "Ihr hattet gute Chancen, habt gut gekämpft! Macht das dritte Tor, dann haben wir Ruhe!" Philipp Hartewig, sportpolitischer Sprecher der FDP-Fraktion und Rechtsaußen des FC Bundestags bleibt trotz des Rückstands optimistisch: "Noch ist nicht alles verloren", sagt er und lacht, "wobei wir in den letzten Jahren fast alle Spiele verloren haben." Am Ende gehe es aber nicht um Sieg oder Niederlage, sondern um die Chance miteinander ins Gespräch zu kommen. Darum sei das Spiel heute wichtig. "Sport und Integration – das ist für mich die perfekte Symbiose", sagt Hartewig.

Kurz vor Ende des Spiels ist der Optimismus beim gegnerischen Team verflogen, die gute Stimmung jedoch nicht. "Die haben uns so richtig verhauen", sagt die SPD-Bundestagsabgeordnete Maja Wallstein, als der Ball zum sechsten Mal das eigene Tor trifft. Der aktiven Fußballschiedsrichterin ist es wichtig, sich im Alltag dafür einzusetzen, dass Integration im Vereinssport gelebt werden kann. "Sport ist ein verbindendes Element, jeder kann teilhaben – das ist die Magie des Sports." Wer das nicht mitträgt oder sich damit nicht identifizieren kann, habe im Vereinssport nichts verloren.

Als der Abpfiff erklingt, umarmen sich die Spielerinnen und Spieler beider Mannschaften und klatschen sich ab. Das IdS-Team gewinnt 6:0. Die Menschen, die am Tag davor zum ersten Mal gemeinsam auf dem Platz standen, haben ihrem Ausruf vor dem Spiel Taten folgen lassen und gezeigt: Sie sind – tatsächlich – ein Team, vereint in Vielfalt.

Text: Kristin Kasten

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