Wohnsituation Geflüchteter aus der Ukraine in Deutschland , Datum: 28.11.2023, Format: Meldung, Bereich: Behörde

Etwa eine Million ukrainische Geflüchtete fanden 2022 in Deutschland Schutz. Wo sie leben und wie sich ihre Wohnsituation verändert hat, untersucht eine neue BAMF-Kurzanalyse auf Basis von Befragungen. Zwei der Autorinnen und Autoren der Studie, Dr. Manuel Siegert und Dr. Kerstin Tanis, stellen im Interview zentrale Ergebnisse vor und ordnen sie ein.

Für die Kurzanalyse haben Dr. Manuel Siegert und Dr. Kerstin Tanis, wissenschaftliche Mitarbeitende im Forschungszentrum des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF-FZ), gemeinsam mit Dr. Andreas Ette und Dr. Lenore Sauer vom Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB) Daten von mehreren tausend ukrainischen Geflüchteten ausgewertet, die im Spätsommer 2022 und Frühjahr 2023 erhoben wurden. Die Kurzanalyse entstand im Rahmen der IAB-BiB/FReDA-BAMF-SOEP-Befragung Geflüchtete aus der Ukraine in Deutschland.

Sie haben in der Kurzanalyse die Wohnsituation ukrainischer Geflüchteter betrachtet. Warum ist die Wohnsituation ein zentrales Thema?

Ein Mann lächelt in die Kamera. Dr. Manuel Siegert Quelle: © BAMF

Dr. Manuel Siegert: Wo und wie Menschen leben, kann einen erheblichen Einfluss auf ihre individuelle Lebensqualität und ihre gesellschaftliche Teilhabe haben. Die hohe Anzahl an Schutzsuchenden Menschen aus der Ukraine nach Kriegsbeginn im Februar 2022 hat vor allem in den Kommunen Bedenken darüber ausgelöst, ob die Versorgung mit ausreichend Wohnraum gelingen kann. Eine zentrale Rolle hierfür spielt sicherlich auch der zunehmend angespannte Wohnungsmarkt. Neben der Erstversorgung mit Wohnraum ist insbesondere die Entwicklung der Wohnsituation von zentralem Interesse, da viele ukrainische Geflüchtete den Wunsch äußern, langfristig in Deutschland zu bleiben. In unserer neuen Studie schließen wir nun diese Forschungslücke.

Die Analyse vermittelt den Eindruck, als hätte sich die Wohnsituation der ukrainischen Geflüchteten vergleichsweise gut entwickelt. Ist dieser Eindruck richtig?

Dr. Kerstin Tanis: Zumindest für die Gruppe der Geflüchteten, die wir im Fokus haben, nämlich jene, die zwischen Mitte Februar und Anfang Juni 2022 in Deutschland angekommen sind, deuten die Daten tatsächlich darauf hin, dass sie bereits kurz nach ihrer Ankunft vergleichsweise gut am Wohnungsmarkt untergekommen sind. So haben bereits drei von vier Personen direkt oder kurz nach ihrer Ankunft eine private Wohnung beziehen können – mit Trend nach oben. Es ist allerdings zu erwähnen, dass ein größerer Anteil der Geflüchteten zunächst in bestehende Haushalte von Freunden, Familienangehörigen oder sonstigen Personen zugezogen sind. Unsere neueren Analysen zeigen aber, dass sich dieser Anteil langsam reduziert und ukrainische Geflüchtete, die bereits mindestens einmal umgezogen sind, dies vor allem tun, da sie passendere Wohnungen finden. Hierbei helfen sicherlich auch bestehende soziale Kontakte zu Ukrainerinnen und Ukrainern, die bereits vor Kriegsbeginn in Deutschland gelebt haben.
Ob sich diese Ergebnisse auch auf jene übertragen lassen, die nach Anfang Juni in Deutschland angekommen sind, können wir momentan nicht sagen. Es ist aber anzunehmen, dass sich die Situation für diese Gruppe aufgrund der angespannten Lage am Wohnungsmarkt herausfordernder gestaltete und gestaltet.

Wie sieht Ihr Fazit aus?

Siegert: Soziale Netzwerke stellen für viele Lebensbereiche einen zentralen Unterstützungsmechanismus für neuankommende Personen dar. Unsere Analysen lassen dies auch für die Wohnsituation ukrainischer Geflüchteter vermuten: So wurden Personen, die angaben, nach Deutschland geflohen zu sein, weil hier bereits Familienangehörige oder Freunde lebten, seltener einem Wohnort behördlich zugewiesen und bewohnten häufiger private Wohnungen, als Personen, die diesen Grund nicht nannten. Darüber hinaus scheinen diese Wohnungen eine höhere Wohnqualität aufzuweisen, gemessen etwa durch die zur Verfügung stehenden Wohnfläche pro Kopf. Insgesamt lässt sich damit festhalten, dass bestehende soziale Kontakte eine wichtige Hilfe bei der Suche und Vermittlung von Wohnraum sind, da sie mit den Gegebenheiten vor Ort vertraut sind.


Kurzanalyse 3|2023: Wohnsituation ukrainischer Geflüchteter Format: Kurzanalyse

In der Kurzanalyse 3|2023 des BAMF wird anhand der Daten der ersten und zweiten Erhebungswelle der IAB-BiB/FReDA-BAMF-SOEP-Befragung "Geflüchtete aus der Ukraine in Deutschland" untersucht, wie sich die Wohnsituation der ukrainischen Geflüchteten zwischen Spätsommer 2022 und Frühjahr 2023 entwickelt hat.