Rückzugsort und Austausch für geflüchtete LSBTTIQ Menschen , Datum: 17.05.2020, Format: Meldung, Bereich: Integration , Internationaler Tag gegen Homophobie

Gleich und doch anders sein – bunt und vielfältig leben. Das will das vom BAMF geförderte Projekt "Regenbogen Refugium" in Stuttgart seiner Zielgruppe ermöglichen. Mit Austauschraum und Beratung bietet es geflüchteten lesbischen, schwulen, bisexuellen, transsexuellen, transgender intersexuellen und queeren (LSBTTIQ) Menschen einen diskreten Schutzraum, Unterstützung und die Möglichkeit, neue Kontakte zu knüpfen.

Auch 2020 werden Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung sozial ausgegrenzt oder verstoßen, in einigen Regionen der Welt sogar eingesperrt, gefoltert und hingerichtet. Erst am 17. Mai 1990 wurde Homosexualität von der Liste der Krankheiten der Weltgesundheitsorganisation WHO gestrichen. Zur Erinnerung daran und um auf die Situation von Betroffenen aufmerksam zu machen, wurde der 17. Mai zum Internationalen Tag gegen Homo-, Bi-, Inter- und Transphobie erklärt.

Heike Pitz ist Mitarbeiterin im Regenbogen Refugium und im Vorstand des Trägers, Weissenburg e.V. Im BAMF-Interview spricht sie über den Aktionstag und über die besonderen Herausforderungen, mit denen besonders geflüchtete LSBTTIQ Menschen in Deutschland konfrontiert sind.

Mit dem Projekt "Regenbogen Refugium" wurde sowohl ein Rückzugsort als auch ein Raum für Begegnung für geflüchtete LSBTTIQ Menschen geschaffen. Warum ist ein solcher Ort der Entfaltung für diese Zielgruppe so wichtig?

Heike Pitz: Wir müssen uns die Situation dieser speziellen Zielgruppe anschauen. In ihrer Heimat werden sie aufgrund ihrer sexuellen Orientierung verfolgt. Viele flüchten, weil ihr Leben deshalb bedroht ist. Menschen fliehen aber nicht nur wegen ihrer sexuellen Orientierung oder Identität. Sie fliehen etwa aufgrund von Krieg, extremer Armut oder aus politischen Gründen. Die LSBTTIQ Menschen erhofften sich von ihrer Flucht, dass sie von nun an freier leben können. In Deutschland treffen sie dann aber auf andere Geflüchtete aus ihrem Kulturkreis – mit denselben Vorurteilen und Vorstellungen, vor denen LSBTTIQ Menschen aus ihrer Heimat geflohen sind – oder weswegen sie sich erst gar nicht in ihrer Heimat outen konnten. Die Konsequenz ist, dass sie nichts sagen, nichts tun, nichts zeigen, das auf ihre sexuelle Orientierung schließen lassen könnte. Fällt auch nur der Verdacht auf sie, z.B. homosexuell zu sein, müssen sie auch hier mit Repression, Ausgrenzung oder gar Bedrohung für Leib und Leben fürchten. Diese Menschen brauchen einen Raum, wo sie hingehen können, wo sie wissen: hier ist es in Ordnung, dass ich bin, wie ich bin.

Was erwartet die Teilnehmenden Ihres Projekts? Und wie genau können Sie durch Ihr Angebot und Ihren Rat unterstützen?

Heike Pitz: Es ist einfach ganz wichtig, sich zu treffen und den Menschen die Möglichkeit zu geben, einigermaßen ungezwungen und frei zu sein. Sich so zu geben, wie sie es möchten. Das Café dient als physischer Ort. Außerhalb der COVID-19 Pandemie finden hier alle zwei Wochen Gruppentreffen statt. Hier können Gleichgesinnte und Ehrenamtliche sich begegnen, miteinander reden und auch Veranstaltungen planen. Wir grillen, wandern, machen Ausflüge. So wollten die Geflüchteten im Juli zum Beispiel eine Party mit typischen Speisen und Getränken und der Musik aus ihren Herkunftsländern für die Unterstützenden und deren Freunde organisieren. Das müssen wir nun nach hinten verschieben.

Wir sind keine spezielle Beratungsstelle, sind aber gut vernetzt und kooperieren mit zahlreichen Stellen und Hilfsangeboten, auf die wir verweisen können. Wenn jemand mit persönlichem Kummer kommt, sind wir aber natürlich auch selbst Ansprechpartner. Und unser Rat ist so individuell wie es die Personen sind. Es funktioniert nicht, einfach zu sagen: Du bist jetzt in Deutschland, du darfst Dich outen und so leben wie Du möchtest. So einfach ist das nicht. Denn bei vielen hängt ein soziales Netzwerk daran – die Familie und die Gemeinschaften aus den Heimatländern, die in Deutschland miteinander verbunden sind. Das bedeutet, wenn jemand aus der Rolle fällt, kann die Person mindestens sozial geächtet werden oder auch schlimmer.

Unser Ziel ist daher nicht, allgemeingültige Ratschläge zu geben, sondern, dass die Menschen, die sich an uns wenden, mehr Selbstsicherheit erfahren. Das ist etwas, das sich entwickeln muss – durch Austausch und Erfahrung.

Am 17. Mai ist der Internationale Tag gegen Homo-, Bi-, Inter-, und Transphobie. Halten Sie einen solchen Tag für wichtig und wird dieser besondere Tag im "Regebogen Refugium" thematisiert bzw. finden hierzu besondere Veranstaltungen statt?

Heike Pitz: Wir halten den Tag für sehr wichtig. Zwar ist der Umgang mit LSBTTIQ Menschen in Deutschland und anderen Ländern der westlichen Welt verhältnismäßig offen, aber es gibt genügend Beispiele und Berichte, die zeigen: auch hier gibt es Vorurteile, Abneigung und Übergriffe gegen Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung und Identität.

Eigentlich wollten wir an dem Tag im Café mit "unseren Geflüchteten" zusammenkommen, diesen gemeinsam feiern und darauf aufmerksam machen. Wegen COVID-19 schließen wir uns im Livestream von 17:00 – 19:00 Uhr unter z.B. www.ba-wue.lsvd.de verschiedenen anderen Vertreterinnen und Vertretern der lokalen Community an. Ein Kollege aus dem Regenbogen Refugium hat dafür beispielsweise gute und schlechte Nachrichten aus aller Welt rund um LSBTTIQ eingesprochen.

Ansonsten gibt es um den Tag herum normalerweise Veranstaltungen auf dem Marktplatz oder eine Kundgebung auf dem Schlossplatz. Wir wollen die Situation von LSBTTIQ aufzeigen – für ein buntes und vielfältiges Leben.

Projekt: "Regenbogen Refugium"

Das Projekt "Regenbogen Refugium" ist ein Angebot des Zentrums Weissenburg e.V. in Stuttgart. Ziel ist es, geflüchteten LSBTTIQ Menschen einen diskreten Schutzraum zu bieten und sie zu unterstützen. Es bietet einen Ort der Vernetzung und Begegnung von LSBTTIQ Menschen sowie ihren unterstützenden Personen an. Weitere Informationen unter www.zentrum-weissenburg.de/regenbogen-refugium.