Kurzbericht: Bewährte und neue Ansätze der Rückkehrpolitik , Datum: 04.05.2017, Format: Meldung, Bereich: Migration und Aufenthalt , Rückkehrberatung, Integriertes Rückkehrmanagement, Reintegration

Bei der Jahrestagung der deutschen nationalen Kontaktstelle des Europäischen Migrationsnetzwerks (EMN) diskutierten 130 Expertinnen und Experten auf Einladung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge über die Herausforderungen von Rückkehrberatung, Rückkehrmanagement und Reintegration. Die Tagung fand Anfang Mai im Europäischen Haus am Brandenburger Tor in Berlin statt.

"Der Rückkehr kommt als zentrales Instrument der Steuerung von Migration eine besondere Bedeutung zu. Im Fokus steht derzeit besonders die freiwillige Rückkehr", so Staatssekretärin Dr. Emily Haber, Bundesministerium des Innern in ihrem Eröffnungsvortrag. Eine enge Kooperation aller Beteiligten auf nationaler und europäischer Ebene sei bei dem Thema essentiell. Deshalb habe sie sich besonders gefreut, dass die deutsche nationale EMN-Kontaktstelle beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Vertreterinnen und Vertreter von Bund, Ländern, freien Trägern und Gästen aus den EMN-Mitgliedsstaaten zur Konferenz zusammengebracht hatte.

Dr. Katie Kuschminder, Wissenschaftliche Mitarbeiterin des Global Governance Programme des Europäischen Hochschulinstituts in Florenz, sprach anschließend über ihre Forschung zum Zusammenhang von nachhaltiger Rückkehr und Reintegration. Die politische Diskussion um nachhaltige Rückkehr beschränke sich dabei zu oft auf die Verhinderung einer erneuten Auswanderung (Remigration), wodurch der Blick für den vielschichtigen Rückkehr- und Reintegrationsprozess versperrt werde. Es fehle unter anderem an einer einheitlichen Definition von nachhaltiger Rückkehr, so Dr. Kuschminder.

Best-Practice: Rückkehrberatung

Im ersten Panel stellten Vertreter aus dem Saarland, der Diakonie Rheinland-Pfalz und des Direktorats für Einwanderung in Norwegen Rückkehrberatungsprojekte und ihre besonderen Ansätze vor. Sie diskutierten die Vorzüge einer frühzeitigen Beratung, von zentralen gegenüber dezentralen Beratungsstrukturen, einer engen Zusammenarbeit mit NGOs und einer Gewährung von Ländermitteln zusätzlich zu den freiwilligen Rückkehrprogrammen des Bundes. Knut Holm, Direktorat für Einwanderung Norwegen betonte, wie wichtig insbesondere für Asylsuchende eine individuelle Beratung, Aufklärung über ihren Status und die Situation im Herkunftsland für die Rückkehrentscheidung und eine unterstützte Ausreise sei.

Integriertes Rückkehrmanagement: Kritischer Ausblick

Im zweiten Panel warfen Vertreter von BAMF, Europäischer Kommission und dem Schweizer Staatssekretariat für Migration einen kritischen Blick auf den Status Quo beim Integrierten Rückkehrmanagement, bei dem Maßnahmen zur freiwilligen und zwangsweise Rückkehr sowie Reintegration miteinander verknüpft werden. Dr. Patrick Schmidtke, Referatsleiter Rückkehr beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, sprach über Deutschlands neuestes Rückkehrprogramm Starthilfe Plus und stellte zwei neue Informationsangebote vor: eine bundesweite Rückkehrhotline sowie das Informationsportal zu freiwilliger Rückkehr Returning from Germany. Die beiden Informationsangebote sollen es Betroffenen und Ehrenamtlichen leichter machen, an Informationen zu kommen und die parallel existierenden Rückkehrprogramme von Kommunen, Bundesländern und des Bundes zu überblicken. Das sei schon für Expertinnen und Experten nicht einfach, "wie schwer muss es dann jemandem fallen, der mit dem Gedanken zur Rückkehr spielt, aber der deutschen Sprache nicht mächtig ist", gab Dr. Schmidtke zu bedenken.

Dan Rotenberg, stellvertretender Referatsleiter mit Zuständigkeit für irreguläre Migration und Rückkehrpolitik bei der Europäischen Kommission, forderte in seinem Vortrag ein Umdenken, angesichts der 2,6 Millionen Asylbewerbenden, die in den vergangenen zwei Jahren in die EU kamen, von denen rund eine Million in ihre Herkunftsländer zurückkehren sollen. Dazu sei der im März 2017 "EU-Aktionsplan für eine wirksamere Rückkehrpolitik" abgeschlossen worden. "Wir brauchen schnellere Verfahren, einen multidimensionalen Ansatz und eine bessere Koordination sowohl in als auch zwischen den Mitgliedsstaaten", so Rotenberg. Zudem kritisierte er eine oft fehlende Kooperationsbereitschaft der Herkunftsländer, in die Ausreisepflichtige zurückkehren sollen.

Roger Steiner, Staatssekretariat für Migration der Schweiz, betonte wiederum, dass freiwillige Rückkehr und ein konsequenter Vollzug von Abschiebungen zusammengehörten, da letzteres auch einen Anreiz für die Wahl einer unterstützten freiwilligen Rückkehr darstelle.

Reintegration für eine nachhaltige Rückkehr

Die EMN-Konferenz schloss mit einem Panel zur Reintegration. Am Beispiel eines Rückkehrprojekts nach Vietnam der Bundesländer Berlin und Brandenburg zeigte Dr. Sarah Tietze, Internationale Organisation für Migration (IOM), wie eine Reintegration und nachhaltige Rückkehr im Herkunftsland gelingen kann. Zentrale Faktoren seien unter anderem eine individuelle Beratung im Vorhinein, die Einbeziehung der Verwandten im Herkunftsland sowie von NGOs. Sie bedauerte außerdem, dass seit Einführung der Programme des European Reintegration Network (ERIN), bewährte Reintegrationsprogramme von Kommunen und Bundesländern teils nicht mehr gefördert würden und gab zu bedenken: "Die Reintegrationsprogramme werden durch ERIN gut ergänzt, aber nicht ersetzt."

Po-Ling Ho, Ministerium für Sicherheit und Justiz der Niederlande, gab Einblicke in die Arbeit von ERIN. An ERIN sind unter Federführung der Niederlande neben 17 EU-Staaten und Australien auch 20 Drittstaaten wie Afghanistan, Irak, Marokko und Somalia sowie lokale NGOs, die IOM und Caritas beteiligt. Das solle dazu dienen, Doppelstrukturen in den beteiligten Staaten abzubauen. Die Rückkehrenden werden in den Mitgliedstaaten zum Rückkehr- und Reintegrationsprozess beraten. Ziel sei es, ihnen im Herkunftsland den Zugang zu einer Ausbildung oder zum Arbeitsmarkt zu erleichtern.

Peter Bonin vom Sektorvorhaben Migration und Entwicklung der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) schloss das Panel mit einem Vortrag über entwicklungsorientierte und entwicklungssensible Reintegration. Durch die Vielzahl an Geflüchteten und abgelehnten Asylantragsstellenden sei auch für die Rückkehrpolitik im Rahmen der deutschen Entwicklungszusammenarbeit eine neue Dynamik entstanden: während diese sich bisher auf Hochqualifizierte konzentrierte, seien nun ausreisepflichtige Personen, die mitunter zwangsweise rückgeführt werden müssten und nicht mehr freiwillig ausreisten, als neue Zielgruppe in den Fokus gerückt. Dieser Umstand stelle die Rückkehrprogramme im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit vor neue Herausforderungen. Bonin führte diese am Beispiel des neuen Programms "Perspektive Heimat" aus, das in Zusammenarbeit des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung und des Bundesministeriums des Innern durchgeführt wird.

Die EMN-Jahrestagung verdeutlichte, wie notwendig beim Thema Rückkehr eine intensive Beratung, gutes Monitoring durch die Forschung, ein ganzheitlicher Blick auf individuelle sowie strukturelle Einflussfaktoren auch in den Herkunftsländern und eine enge Zusammenarbeit aller Beteiligten innerhalb Deutschlands, Europas und mit den Herkunftsländern der Rückkehrer ist, um eine Rückkehr in Würde sowie Reintegration in den Herkunftsändern zu ermöglichen.

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