Aktuelle Studie zu relevanten Faktoren beim Spracherwerb , Datum: 24.01.2017, Format: Meldung, Bereich: Behörde , Interview mit Jana Anne Scheible, Autorin der BAMF-Studie "Schnell und erfolgreich Deutsch lernen – wie geht das? "

Die Ausgestaltung von Sprachkursen im Allgemeinen sowie der Integrationskurse des Bundesamtes im Besonderen nimmt in der Debatte um die Integration von Geflüchteten eine wichtige Rolle ein. Die neue Studie des Forschungszentrums des Bundesamtes gibt einen Überblick über Einflussfaktoren auf den Zweitspracherwerb und analysiert Daten des BAMF-Integrationspanels, um bislang ungeklärte Fragen im Hinblick auf den Deutscherwerb in Integrationskursen zu beantworten. Hauptautorin der Studie, Jana Anne Scheible erklärt, welche Faktoren beim Deutscherwerb für Migrantinnen und Migranten eine wichtige Rolle spielen.

Welche Faktoren beeinflussen den Deutscherwerb?

In der Fachliteratur werden häufig drei Hauptfaktoren beim Erlernen einer neuen Sprache hervorgehoben: Motivation, Lerngelegenheiten und Lerneffizienz. Diese eher abstrakten Konstrukte lassen sich jedoch empirisch nicht so einfach messen. Deshalb haben wir in unserer Studie einzelne, konkrete Faktoren untersucht, welche die drei Hauptfaktoren beeinflussen.

In unserer Studie hat sich gezeigt, dass individuelle Lernvoraussetzungen den Deutscherwerb maßgeblich beeinflussen, dazu zählen Bildung oder auch vorherige Erfahrungen mit dem Lernen anderer Sprachen. Zudem spielen kursbezogene und alltagsrelevante Faktoren der Kursteilnehmenden eine große Rolle. So zeigen Kursteilnehmende, die sich stärker für die deutsche Kultur interessieren und mehr Spaß am Kurs haben, einen größeren Deutschkenntniszuwachs. Außerdem ist die Sprachanwendung von großer Bedeutung: Kursteilnehmende, die im Kurs mehr Deutsch sprechen und auch außerhalb des Kurstontexts, zum Beispiel zuhause oder mit Freunden, machen größere Fortschritte im Kursverlauf. Darüber hinaus haben auch Kurscharakteristika einen Einfluss auf den Lernerfolg der Kursteilnehmenden. Kursteilnehmende profitieren zum Beispiel besonders von Lehrkräften mit Migrationshintergrund und gleichgeschlechtlichen Kursleitenden.

Keinen Einfluss auf den Deutscherwerb hingegen hatte, ob der oder die Kursteilnehmende einen Fluchthintergrund hatte oder nicht. Geflüchtete und andere Migranten unterschieden sich nicht hinsichtlich ihres Deutschkenntniszuwachses im Integrationskurs.

Welches ist das wichtigste Ergebnis der Studie?

Spannend ist, dass sich in unseren Analysen die Kurszusammensetzung für den individuellen Lernerfolg als wenig wichtig erwies. Die Bildungsheterogenität zeigte in unserer Studie keinen Einfluss auf den individuellen Deutschkenntniszuwachs der Teilnehmenden im Kursverlauf. Kleinere Kursgrößen und Spezialkurse, die die individuelle Lerngeschwindigkeit berücksichtigen, entlasten aber die Lehrkräfte und erlauben es ihnen, gezielter auf die unterschiedlichen Bedürfnisse der Teilnehmenden einzugehen. Die Voraussetzung für vergleichbare Lernfortschritte in erstsprachlich homogenen und heterogenen Kursgruppen ist jedoch, dass die Teilnehmenden im Kurs vorwiegend Deutsch sprechen und nicht in eine andere gemeinsame Sprache wechseln. Dieses Risiko besteht eher in homogenen Gruppen.

Welche Handlungsempfehlungen für die Praxis leiten Sie aus den Studienergebnissen ab?

Für einen schnellen und erfolgreichen Deutscherwerb ist sowohl eine gezielte Sprachförderung, etwa im Rahmen eines Integrationskurses, als auch die selbstständige, praktische Sprachanwendung über den Kurskontext hinaus von großer Bedeutung. Für viele neuangekommene Zuwanderer – einschließlich Geflüchtete – ist der Sprachkurs zu Beginn die einzige wirkliche Gelegenheit, um die deutsche Sprache anzuwenden und zu trainieren. Um den Wortschatz zu erweitern und die neu gelernten Kenntnisse langfristig im Gedächtnis zu verankern, müssen die Deutschkenntnisse im natürlichen Umfeld angewendet werden, auch wenn am Anfang noch viele Fehler gemacht werden.

Der Integrationskurs ist so konzipiert, dass er alltagsnahe Themen anspricht und durch erfahrbaren Unterricht und Exkursionen den Transfer zum Alltag fördert. Damit der Integrationskurs aber nicht die einzige Gelegenheit zur praktischen Anwendung der Deutschkenntnisse bleibt, können Integrationskursteilnehmende durch Vernetzung mit ehrenamtlichen Initiativen und Vereinen auf lokaler Ebene dazu ermutigt werden, mit der deutschen Sprache und Deutschsprechenden außerhalb des Kurskontexts in Kontakt zu kommen. Hier kommt den Regionalkoordinatoren des Bundesamtes eine besondere Bedeutung zu.

Auch durch die Verknüpfung des Integrationskurses mit berufsbezogenen Praktika kann die praktische Anwendung der Sprachkenntnisse gefördert werden. Die Zugewanderten können so gleichzeitig erste Arbeitserfahrung sammeln und haben die Gelegenheit, ihre Sprachkenntnisse direkt anzuwenden. Dieses Konzept wurde bereits aufgegriffen in der Maßnahme KompAS (Kompetenzfeststellung, frühzeitige Aktivierung und Spracherwerb) der Bundesagentur für Arbeit, bei der der frühzeitige Besuch des Integrationskurses um eine Kompetenzfeststellung und flankierende Maßnahme der Arbeitsförderung, zum Beispiel in Form von Praktika, ergänzt wird. Dies kann eine gute Möglichkeit sein, den Spracherwerb und die Heranführung an den Arbeitsmarkt zu kombinieren.

Die Studie steht in der rechten Spalte als Download-Dokument zur Verfügung. Weitere Informationen finden sich unter den Links zum Thema.

Medienvertreterinnen und -vertreter wenden sich mit Anfragen bitte an die Pressestelle des Bundesamtes.