#BAMFzeigtGesicht mit Marie-Luise Radeck , Datum: 26.06.2020, Format: Interview, Bereich: Behörde

Marie-Luise Radeck arbeitet seit Juni 2016 in der BAMF Außenstelle Gießen als Entscheiderin. Seit November 2018 ist sie außerdem als Sonderbeauftragte für Traumatisierte und Folteropfer eingesetzt. Zum heutigen Internationalen Tag zur Unterstützung der Folteropfer berichtet sie bei #BAMFzeigtGesicht über die täglichen Herausforderungen ihrer Arbeit.

Frau Radeck, Opfer von Folter haben ein schweres Schicksal hinter sich. Wie viel Scheu hatten Sie, als Sie mit Ihrer Tätigkeit als Sonderbeauftragte für Folteropfer begonnen haben, mit diesem Personenkreis zu arbeiten?

Marie-Luise-Radeck: Eigentlich wenig, ich sehe es vielmehr als Herausforderung an. Schon zuvor habe ich als Entscheiderin Anhörungen durchgeführt und bin dabei mit dem Thema Folter in Berührung gekommen. Daher habe ich mich bewusst dafür entschieden, Sonderbeauftragte für Folteropfer zu werden, weil ich es wichtig finde, dass die Opfer von Folter das Erlebte einer speziell dafür geschulten Person anvertrauen können. Aber natürlich ist es nicht immer einfach, mit traumatisierten Menschen zu arbeiten. Aus diesem Grunde ist eine regelmäßige Supervision wichtig, die allen Entscheiderinnen und Entscheidern regelmäßig zur Verfügung steht.

Aus welchen Ländern kommen die Antragstellerinnen und Antragsteller, die Folter erlebt haben aus Ihrer Erfahrung häufig?

Marie-Luise-Radeck: Das lässt sich so pauschal nicht beantworten. In jedem Herkunftsland ist es möglich, dass einem Antragsteller oder einer Antragstellerin Folter zugefügt wird. Das kann z.B. durch die Taliban und die Al-Shabaab geschehen, aber auch durch Militärangehörige – oder sogar durch eigene Familienangehörige.

Wie wurden Sie auf Ihre Tätigkeit als Sonderbeauftragte für Folteropfer vorbereitet?

Marie-Luise-Radeck: Alle Sonderbeauftragten im Bundesamt bekommen gezielte, auf die Tätigkeit zugeschnittene Schulungen, die durch Fachpersonal, wie Ärzte und Psychologen, durchgeführt werden. Erst nach der erfolgreichen Teilnahme an diesen Schulungen kann man als Sonderbeauftragte eingesetzt werden. In der Schulung wurden uns die speziellen Bedürfnisse der Betroffenen und der Umgang mit Folteropfern nähergebracht. Auch haben wir in der Schulung gelernt, wie man in den Anhörungen mit den besonderen Bedürfnissen dieser Personengruppe umgeht.

Wie schaffen Sie es, eine professionelle Distanz zu den individuellen Schicksalen zu wahren?

Marie-Luise-Radeck: Ein wichtiges Thema in der Schulung für Sonderbeauftragten für Traumatisierte und Folteropfer ist die sogenannte Psychohygiene, d.h. der Schutz der eigenen psychischen Gesundheit. Allgemeingültige und pauschale Maßnahmen, wie man als Entscheiderin oder Entscheider damit umgehen kann, gibt es hierbei jedoch nicht immer. Ich persönlich versuche z.B. an Tagen, an denen ich Verfahren mit Bezug zum Thema Folter bearbeite, nicht direkt von der Arbeit nach Hause zu fahren, um so eine gewisse Distanz zwischen Berufs- und Privatleben zu schaffen.

Und wie bereits erwähnt bietet das Bundesamt für Entscheiderinnen und Entscheider regelmäßig die Teilnahme an Supervisionen an. Vor allem als Sonderbeauftragte für Folter ist die Teilnahme an einer solchen sinnvoll.