#BAMFzeigtGesicht mit Claudia Möser , Datum: 25.11.2019, Format: Interview, Bereich: Behörde

Claudia Möser arbeitet seit Februar 2016 in der BAMF-Außenstelle Dresden als Entscheiderin. Seit Juni 2018 ist sie außerdem als Sonderbeauftragte für geschlechtsspezifische Verfolgung eingesetzt. Zum heutigen Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen berichtet sie bei #BAMFzeigtGesicht über die täglichen Herausforderungen ihrer Arbeit.

Frau Möser, was geben Frauen aus Ihrer Erfahrung am häufigsten als Fluchtgrund in der Anhörung an?

Claudia Möser: Das lässt sich so pauschal nicht beantworten. Je nach Herkunftsland, Alter, und sozialem Umfeld unterscheiden sich die Fluchtgründe der Frauen. Geschlechtsspezifische Verfolgung wird meist von Frauen vorgetragen, die in ihrem Heimatland in einem stark patriarchalisch geprägten Umfeld gelebt haben. Hier ist sexuelle Gewalt der am häufigsten vorgetragene Grund. Leider ist es in vielen Herkunftsländern, die ich bearbeite, oft so, dass den Frauen die Schuld für derartige Übergriffe auferlegt wird und sie schlimmstenfalls damit rechnen müssen, von ihrer Familie getötet zu werden. Aber auch mit Fällen von Zwangsverheiratung und Ehrenmord habe ich zu tun. Frauen aus bestimmten afrikanischen Ländern tragen zudem oft Genitalverstümmelung vor.

Wie wird entschieden, ob die Anhörung durch Sonderbeauftrage durchgeführt wird?

Claudia Möser: Es kommt darauf an, wann die entsprechenden Indikatoren bekannt werden. Dabei hat sich die allgemeine Asylverfahrensberatung der Stufe 1, die das Bundesamt in Dresden schon seit August 2018 durchführt, positiv ausgewirkt. In der Gruppenberatung wird den Antragstellenden erklärt, wie das Asylverfahren abläuft, welche Rechte und Pflichten sie haben und wo man Hilfe findet. Seither können wir noch früher erkennen, ob ein Antragsteller oder eine Antragstellerin vulnerabel ist, also zu einer besonders schutzbedürftigen Gruppe gehört, und entsprechend reagieren. Ist uns vor der Anhörung bekannt, dass ein geschlechtsspezifischer Bezug vorhanden ist, werden für die Anhörung Sonderbeauftragte eingeplant.

Worin unterscheidet sich eine solche Anhörung von anderen Anhörungen?

Claudia Möser: In Anhörungen, die ich als Sonderbeauftragte durchführe, ist es noch wichtiger auf den Antragsteller oder die Antragstellerin einzugehen und ihnen ein Gefühl der Sicherheit zu vermitteln. Viele der Betroffenen sind aufgrund von Gewalt traumatisiert und können nur schwer über das Erlebte sprechen. Wir stellen uns deshalb von vornherein darauf ein, dass eine solche Anhörung länger dauern kann und legen auch vermehrt Pausen ein. Ich habe für solche Fälle einen Stressball im Büro, denn ich habe die Erfahrung gemacht, dass es manchen Antragstellenden hilft, wenn sie sich beim Erzählen an etwas festhalten können.

Wie wurden Sie auf Ihre Tätigkeit als Sonderbeauftragte für geschlechtsspezifische Verfolgung vorbereitet?

Claudia Möser: Wie alle Sonderbeauftragten habe ich eine zusätzliche fachliche Schulung erhalten, in der umfassend über geschlechtsspezifische Themen informiert wird. Die Schulung ist sehr vielfältig und beschäftigt sich sowohl mit europäischen als auch nationalen Standards des Asylverfahrens. Neben zahlreichen Berichten von Betroffenen geht es dort auch um die speziellen Bedürfnisse, die Antragstellende im Hinblick auf geschlechtsspezifische Themen haben, aber auch wie das Erlebte die Anhörung beeinflussen kann und wie wir am besten darauf eingehen und reagieren können.

Wie schaffen Sie es, professionelle Distanz zu den individuellen Schicksalen zu wahren?

Claudia Möser: Das ist nicht immer leicht. In Anhörungen zu geschlechtsspezifischen Verfolgungsschicksalen kommt man unmittelbar mit dem erlebten Leid in Berührung und erfährt oft Dinge, die für jeden Menschen schwer zu ertragen wären. Ich versuche mir in solchen Fällen bewusst zu machen, dass es den Antragstellenden nicht hilft, wenn ich meine professionelle Distanz aufgebe. Auf der anderen Seite ist ein gewisses Maß an Mitgefühl in diesen Fällen unbedingt nötig, um den Antragstellenden zu zeigen, dass ich ihre Situation verstehe und sie frei über das Erlebte sprechen können. Es kommt immer auf ein gesundes Mittelmaß an.