#BAMFforscht-Spezial: Dr. Florian Tissot , Datum: 02.07.2020, Format: Interview, Bereich: Karriere , Familie, Berufstätigkeit beider Eltern und internationale Karriere: Wie passt das zusammen?

#BAMFforscht-Spezial heißt eine neue Interview-Reihe, in der Mitarbeitende des BAMF ihre kürzlich veröffentlichten Dissertationen vorstellen. Den Auftakt macht Dr. Florian Tissot, der im Forschungszentrums des Bundesamts im Forschungsfeld I "Internationale Migration und Migrationssteuerung" tätig ist. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in der Geschlechter- und Migrationsforschung. Dr. Florian Tissot hat an der Universität Neuchâtel in der Schweiz promoviert und seine Dissertation in Kooperation mit der Goethe Universität Frankfurt und der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg geschrieben. Zunächst war er wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Schweizerischen Forum für Migration und Bevölkerung und kam später mit einem Stipendium des Schweizerischen Nationalfonds nach Deutschland, um Daten zu sammeln.

Er entschied sich in Deutschland zu bleiben und nahm eine Stelle im BAMF-Forschungszentrum an. Seine Dissertation trägt den Titel "Doing Family on the Move - Highly-Skilled Migrants in Switzerland and Germany" und steht als Open Source zur Verfügung (siehe Link).

Dr. Tissot, womit beschäftigen Sie sich in Ihrer Dissertation?

Portraitfoto eines Mannes. BAMF-Mitarbeiter Dr. Florian Tissot Quelle: BAMF

Meine Forschung befasst sich mit Familie, Betreuungsarbeit, Erwerbsarbeit und hoch qualifizierter Zuwanderung in die Schweiz und nach Deutschland. In der Arbeit habe ich einen Ansatz entwickelt, der es ermöglicht, die Beziehung zwischen Betreuungsarbeit und Erwerbsarbeit innerhalb von Familien zu verstehen, und die gegenseitigen Auswirkungen zu betrachten. Dafür habe ich Interviews mit Managerinnen und Managern in multinationalen Unternehmen geführt. Da es in der Dissertation um den Familienverbund geht, habe ich immer, sofern möglich, die Lebenspartnerinnen und -partner ebenfalls interviewt. Anhand der Daten habe ich ihre berufliche Entwicklung sowie die Auswirkungen ihrer Familienentscheidungen auf die jeweiligen beruflichen Laufbahnen im Hinblick auf eine Migrationsbewegung analysiert. Mithilfe des Konzepts der "Familienstrategie" untersuche ich ihre Aussagen sowie ihr familiäres und berufliches Handeln, um zu sehen, wie beides miteinander verflochten ist. Ziel war es, den Einfluss wichtiger Lebensentscheidungen der einzelnen Befragten und der Paare auf ihre berufliche Laufbahn zu verstehen.

Was waren die zentralen Ergebnisse?

Es hat sich gezeigt, dass Ungleichheiten auf dem Arbeitsmarkt eng mit der Verteilung von Erwerbsarbeit und Betreuungsarbeit im Familienverbund zusammenhängen. Dabei bringt die internationale Mobilität, wie beispielsweise der Umzug einer Familie von Indien nach Deutschland oder in die Schweiz, oftmals Nachteile für die Karriere der Partnerin mit sich.

Männer können drei Aspekte miteinander vereinen: Erstens eine erfolgreiche berufliche Karriere, zweitens ein Familienleben mit einem Kind oder mehreren Kindern, und drittens die Verfügbarkeit für weitere ungeplante internationale Mobilität ("Motilität"). Die Partnerin kann indessen nur zwei von diesen Aspekten gleichzeitig koordinieren.

Kreisförmige Grafik aus der Dissertation von Dr. Tissot (siehe Langbeschreibung). (Bild hat eine Langbeschreibung)Größer darstellen Grafik: "Lage der weiblichen Partnerin" Quelle: Tissot, Florian (2020). Doing Family on the Move: Highly-Skilled Migrants in Switzerland and Germany, Peter Lang: Bern, S. 282.

Woran liegt das?

Männer können alle drei Aspekte vereinen, weil meist die unsichtbare Betreuungsarbeit ihrer Partnerin mitgenutzt wird. Diese Betreuungsarbeit umfasst nicht nur (Kinder-)Pflege und Hausarbeit, sondern auch das, was ich als "Homemaking" bezeichne, d.h. die Schaffung der notwendigen Voraussetzungen für ein Familienleben nach einer berufsbedingten Erfahrung internationaler Mobilität. Darüber hinaus ist die Ankunft des ersten Kindes ein nicht zu unterschätzender Moment in der Verteilung von Erwerbs- und Betreuungsarbeit. Deswegen empfehle ich in der Studie nicht nur die Schaffung und den Ausbau von Betreuungseinrichtungen für Kinder – vielleicht sogar in den Unternehmen selbst – sondern auch eine Unternehmenskultur, die die Elternzeit insbesondere für die Väter als eine Frage der Chancengleichheit betrachtet. Männer entwickeln ihre Karrieren schneller, weil Frauen häufiger und mehr Elternzeit in Anspruch nehmen. Es wäre also durchaus wünschenswert, dass die Arbeitgeber die Männer dazu ermutigen, mehr Elternzeit zu nehmen.

Dies sind einige ausgewählte Ergebnisse der Arbeit von Dr. Florian Tissot. Die vollständige Dissertation steht als Open Source zur Verfügung.