Abwanderung von Türkeistämmigen , Datum: 11.06.2014, Format: Beitrag, Bereich: Behörde

In der öffentlichen Debatte wird oft behauptet, dass eine hohe Zahl von Türkeistämmigen Deutschland zeitweise oder dauerhaft verlassen würde. Dabei handele es sich vor allem um junge und qualifizierte Personen, die ihre Schulzeit und Ausbildung in Deutschland absolviert haben. Zudem weisen Umfragen auf eine hohe Abwanderungsbereitschaft in der türkeistämmigen Bevölkerung Deutschlands hin.

Tatsächliche Abwanderung niedriger als oft angenommen

Eine detaillierte Analyse der Abwanderungszahlen zeigt jedoch, dass nur wenige tatsächlich aus Deutschland fortziehen. Rund drei Millionen Personen mit Migrationshintergrund aus der Türkei leben in Deutschland, darunter etwa 1,5 bis 1,6 Millionen mit ausschließlich türkischer Staatsangehörigkeit. Jährlich wandern jedoch nur etwa 14.000 bis 17.000 türkische Staatsangehörige sowie 4.000 bis 5.500 Deutsche in die Türkei ab.

Folgegenerationen wandern seltener ab

Türkeistämmige, die hierzulande geboren bzw. aufgewachsen sind, ziehen besonders selten aus Deutschland fort. Im Zeitraum von 2007 bis 2012 wanderten jährlich zwischen 3.000 und 4.000 Angehörige aus den Folgegenerationen ab. Dies entspricht lediglich 0,5 Prozent aller in Deutschland aufgewachsenen türkischen Staatsangehörige.

Internationale Mobilität

Bildungs- und Erwerbsmigranten mit türkischer Staatsangehörigkeit, die sich kurz- bis mittelfristig (bis zu sechs Jahren) in Deutschland aufhalten, sind besonders mobil. Hier lag die durchschnittliche Abwanderungsrate 2012 bei etwa 20 Prozent. Studierende sowie Berufseinsteiger sind auch im internationalen Vergleich die weitaus mobilste Gruppe. Auch ältere Personen mit türkischer Staatsangehörigkeit (ab 65 Jahren) wandern häufiger ab, wobei jedoch in den letzten Jahren eine rückläufige Tendenz zu beobachten ist. Immer mehr ziehen es vor, ihren Ruhestand in Deutschland zu verbringen oder zwischen Deutschland und der Türkei zu pendeln.

Gründe für eine Abwanderung

Es gibt zahlreiche Gründe für eine Abwanderungsentscheidung. Bei Umfragen nach Abwanderungsabsichten wird ein "fehlendes Heimatgefühl" besonders häufig genannt. Für diejenigen, die tatsächlich abgewandert sind, waren hingegen familiäre und partnerschaftliche Erwägungen und weniger Diskriminierungserfahrungen in Deutschland wanderungsentscheidend.

Eine Abwanderung ist nicht mit einer endgültigen Abkehr von Deutschland gleichzusetzen. Vielmehr handelt es sich in den meisten Fällen um eine verstärkte Hinwendung zur Türkei, wobei die emotionale Bindung zu Deutschland aufrechterhalten bleibt. Ein Teil der Abwanderer kann sich auch eine Rückkehr nach Deutschland vorstellen. Pendler zwischen den beiden Ländern tragen zu einer Stärkung der deutsch-türkischen Beziehungen in wirtschaftlicher, gesellschaftlicher und kultureller Hinsicht bei.

Der Sammelband aus der Reihe "Beiträge zu Migration und Integration" (Band 6) wurde herausgegeben von Dr. Stefan Alscher und Dr. Axel Kreienbrink.